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Skitour Gamskarkogel: von Hüttschlag auf den höchsten Grasberg Europas

Nun stehe ich erneut hier. An derselben Wegkreuzung wie im vergangenen Winter. Damals schlug mein Herz bis zum Hals. Mein Puls hämmerte so laut, dass ich jeden Schlag hören konnte. Der Schweiß klebte an meiner Stirn. Ich hatte keine Puste mehr. Um nach Luft zu schnappen, blieb ich einige Minuten stehen. Die Beine fühlten sich schwer an und meine Füße signalisierten einen ersten Protest.

Doch heute sagt mir mein Bauchgefühl etwas anderes. Ich horche in mich hinein und weiß, dass nur ich mir selbst die Antwort geben kann. Für einen Augenblick halte ich inne. In Gedanken übergebe ich das, was war der Vergangenheit. Tatsächlich fühle ich mich diesmal bereit und fit genug, um mich der Herausforderung zu stellen. Meine innere Stimme gibt mir Zuversicht. Einige Male atme ich tief ein und spüre eine bekräftigende Stärke in mir. Schlucke die letzten Reste an Zweifeln hinunter und packe all meinen Mut zusammen. Schließlich wende ich entschlossen nach rechts und steuere auf den blütenweißen Hang des Gamskarkogels zu. 

BergGamskarkogel
2467 Meter
Hüttschlag, Salzburg
Skitourmittelschwere Skitour
Dauer: 5,5 Stunden
Länge: 14 Kilometer
Aufstieg/Abstieg: 1200 Höhenmeter
Hangrichtung: NO, SO
Höhenprofil & Karte
AnfahrtParkplatz Hinterfeld
Zum Google Maps Routenplaner

Fehler sind Teil des Erfolges

Scheitern ist eine Kunst. Nicht selten kommt es vor, dass wir etwas vermasseln. Die Dinge schiefgehen. Wir auf die Nase fallen. Etwas in den Sand setzen. Es gibt viele Wörter dafür, einen Misserfolg zu beschreiben. Scham, Selbstzweifel, Ärger und Hilflosigkeit breiten sich bei Fehlschlägen wie ein Lauffeuer in der Seele aus. Nur selten fragt man sich selbst nach dem Wozu. Zu übermächtig ist die Welle der Enttäuschung. Viel leichter fällt es, sich in den schlechten Gefühlen zu vergraben und den Kopf hängen zu lassen. Und tatsächlich vergesse auch ich im Moment des Scheiterns, dass ich aus Niederlagen wachsen werde. Dass sich meine aktuelle Schwäche irgendwann in eine Stärke verwandelt und der Schmerz von heute der Erfolg der Zukunft sein könnte.

„Unser größter Ruhm ist nicht, niemals zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen.“

Nelson Mandela

Wie im Märchen

Es ist ein Wintertag wie aus dem Bilderbuch. Eiskalt, aber sonnig. Kristalle glitzerten im Schnee, der Himmel ist postkartenblau. Der Weg führt zunächst drei Kilometer lang über die Forststraße, bis wir zu einer Kapelle gelangen. Die Äste der Bäume biegen sich unter der Schneelast, ihre Zweige sehen aus wie mit Zuckerguss überzogen. Meine Augen können sich nicht daran sattsehen. Wir halten uns rechts und überqueren den Tofernbach. Die Schneedecke verschluckt jedes Geräusch und es ist ruhig und friedlich. Eine angenehme Stille breitet sich über der weißen Winterlandschaft aus, die uns umgibt. Da ist nichts, was den Blick oder das Gefühl begrenzen würde. Schließlich erreichen wir die verschneite Oberharbachalm.

Oben auf den Berggipfeln funkelt der Schnee in leuchtendem Weiß. Das Dach der Hütte trägt eine Schneehaube. Eine Eiskruste überzieht die Holzschindeln. Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es weiter auf dem Wanderweg zur Tofernalmhütte. Die winterliche Umgebung fasziniert mich. Es ist, als würde mich der Schnee auf zauberhafte Weise anziehen. Seine Reinheit, sein helles Strahlen und seine Kälte fesseln meine Blicke. Die jungfräuliche weiße Masse bedeckt die gesamte Umgebung und lässt sie in einer völlig anderen Dimension erscheinen. Prächtige, mit Schnee betupfte Bergkronen strahlen in der Ferne. Als wir der steiler werdenden Spur durch den lichten Nadelwald folgen, tänzelt plötzlich eine Schneewolke lautlos von den Ästen auf mich herab. Die weißen Flocken bleiben in meinen Haaren haften. Ich quietsche und kichere und schüttle wild den Kopf. 

Gamskarkogel_Skitouren
Die Harbachalm ist eine alte Bergknappenhütte aus dem 17. Jahrhundert. Das gesamte Tofern- und Reitalmgebiet diente früher dem Kupferabbau.

Im Wellenmeer

Kurze Zeit später öffnet sich der Wald und die Tofernalm mit einer nicht bewirtschafteten Almhütte zeigt sich in der Ferne. Nachdem wir diese in Richtung Toferer Scharte passiert haben, gelangen wir zu jener Stelle, an der wir den Weg nach rechts verlassen müssten. Geradeaus ginge es zum Finsterkopf, einem Nebengipfel des Gamskarkogels, auf den ich bei meinem letzten Versuch ausgewichen bin. Doch heute wage ich den Aufstieg über kupiertes Gelände immer eher rechtshaltend zum Gipfel des Gamskarkogels. Ein makellos weißer Teppich überzieht die sanft gewellten Hänge. Die Sonne strahlt aus einem tiefblauen Himmel und taucht die weiße Pracht in gleißende Helligkeit. Ihr Anblick macht meinen Kopf frei, zieht mich heraus aus dem Gedankenstrudel des Alltags. Während sich meine Batterien wieder aufladen und mein Herz jubelt, erreichen wir ein markantes Köpfl. Dahinter drehen wir nach links und erreichen nach einer Mulde den kurzen, steilen Gipfelaufschwung, welcher mit einer mächtigen Wechte abschließt.

Gamskarkogel_Skitour_Berge
Über die ausgedehnten Südosthänge steigen wir zum Gipfel auf.
Gamskarkogel_Skitour_Panorama
Weißgetünchte Bergflanken so weit das Auge reicht.
Gamskarkogel_Skitour_Bergsteigen
Ab der Tofernalm prägen die hindernislosen Südosthänge das Gamskarkogels das Landschaftsbild.
Gamskarkogel_Skitour_Salzburg
Voller Staunen halte ich inne und lasse mich von dem malerischen Bergpanorama fesseln.

Wiedersehen in Weiß

Der Gamskargkogel gilt als der höchste Grasberg Europas. Die Gamskarkogelhütte, welche im Winter nicht bewirtschaftet ist, geht auf das Jahr 1828 zurück und ist damit die erste Schutzhütte in den Ostalpen und einer der ältesten Schutzhütten des gesamten Alpenraumes. Vor ein paar Jahren habe ich im Sommer hier oben übernachtet und am nächsten Morgen einen atemberaubenden Sonnenaufgang erlebt. Noch heute denke ich gerne daran zurück.

Ringsum glänzen die Berge in ihrem weißen Wintermantel. Wie ein Schleier legt sich der Schnee über die gesamte Gebirgskette. Die Gipfel von Muntanitz, Hochalmspitze, Ankogel, Säuleck, Großglockner und Hoher Sonnblick sind mit blendendem Puder verhüllt. Das Kaisergebirge sowie das Dachstein- und Hochkönigmassiv erheben sich unmittelbar vor uns. 

Gamskarkogel_Skitour_Grossarl
Die Gamskarkogelhütte wurde bereits 1828 im Auftrag von Erzherzog Johann errichtet.
Gamskarkogel_Skitour_Kreuz
Der Gamskarkogel war schon zu Kaiserzeiten ein beliebter Aussichtsberg.
Gamskarkogel_Skitour_Aussicht
Am höchsten Punkt angekommen können wir uns zurücklehnen und die Aussicht genießen.

Verträumt lasse ich den Blick über die schroffen Spitzen schweifen, die sich wie eine Kette aus weißen Wächtern ringsum ziehen. Majestätisch recken sie sich in den Himmel. Ich genieße die Stille, die mich umgibt und das Gefühl der Zufriedenheit, welches sich in Windeseile ausbreitet. Eine warme Energie fließt durch meinen Körper und ich erlebe einen Moment voller Befreiung und Freude. Plötzlich merke ich, wie sich meine Augen mit Wasser füllen und eine kleine Träne meine Wangen hinab kullert. Selten war ich so stolz auf mich wie in diesem Augenblick. Diesen Stolz spüre ich bis in die letzte Zelle, bis in die Fingerspitze, bis in die Zehen. Wie eine warme Welle. Ich habe es geschafft! Glücklich und dankbar versuche ich, das Hier und Jetzt einzufangen, um mich später immer wieder an diese Stimmung erinnern zu können. 

Gamskarkogel_Skitour_Huettschlag
Ein Lächeln breitet sich in meinem Gesicht aus und nimmt meinen ganzen Körper, sogar die kleinste Zelle, ein. Noch immer kann ich es nicht glauben, endlich auch im Winter hier oben stehen zu dürfen.
Gamskarkogel_Skitour_Ausblick
Die Aussicht vom Gipfel erstreckt sich über die ganze Kette der Hohen Tauern und über die nördlichsten Kalkalpen – vom Wilden Kaiser bis hin zum Dachstein.

Himmelhoch jauchzend

Langsam müssen wir aufbrechen. Der Pulver lockt. Ich ziehe die Felle von den Skiern ab, fixiere die Bindung und schnalle mir die Skier an. Hintereinander wedeln wir scheinbar schwerelos den Berg hinunter und folgen dabei der Aufstiegsspur. Die weiten und sanft geneigten Hänge des Gamskarkogels lassen mein Herz vor Freude hüpfen. Kurve für Kurve lenken wir unsere Bretter durch das märchenhafte weiße Wunderland. Ich konzentriere mich auf meine Bewegungen, die Position der Skier, den Luftstrom, der mir am Gesicht vorbeipfeift, die vorbeihuschenden schneebedeckten Bäume. Das Einzige, was zählt, ist dieser Moment. Und in diesen Minuten gibt es keinen Grund, an irgendetwas anderes zu denken.

Fazit zur Tour: Der Gamskarkogel zählt mit Sicherheit zu den beliebtesten Zielen im Großarltal – vor allem im Frühjahr als Firnschneetour. Während der Gipfel im Sommer häufig von Gastein begangen wird, wählen die Tourengeher im Winter vorwiegend den Zustieg von der Großarler Seite. Nach dem sehr langen Anstieg durch Kare, Mulden und über einige Vorgipfel entlohnt der Gipfel mit seinem beeindruckenden Ausblick. Die Abfahrt erfolgt üblicherweise über den Aufstiegsweg. Wer die Tour verlängern möchte, kann den kurzen Anstieg auf den Finsterkopf in Angriff nehmen und über die prächtigen Hänge zur Tofernalm abfahren. Hierfür musst du direkt vom Gamskarkogel über den steilen, meist aufgefirnten Südosthang zur Toferer Scharte abfahren – vorausgesetzt die Bedingungen sind sicher genug! Wird der Gamskarkogel mit dem Finsterkopf kombiniert, erhöht sich der Aufstieg um weitere 200 Höhenmeter.

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