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Skitour auf die Schneegrubenspitze: dem Himmel ein Stück näher

Wie ein zarter Brautschleier legt sich der Schnee im Winter über die Berglandschaft. Es ist ein sonniger Wintertag mit knirschendem Schnee unter unseren Skiern, als wir zum Gipfel der Schneegrubenspitze aufbrechen. Auf den Ästen glitzert ein dichtes Schneepolster wie weißes Spitzengewebe. Die grünen Tannen im Wald tragen flockige Hauben. Der Schnee funkelt wie Milliarden Sterne und das ungetrübte Blau spannt sich über den grenzenlosen Himmel. Die Berge schenken mir das Gefühl, völlig abschalten zu können. Hier draußen kann ich die Natur auf mich wirken lassen und ganz in mir selbst ruhen. Mit jedem Tritt gewinnen wir an Höhe und gleichzeitig kann mein Geist mit jedem Schritt ein Stückchen mehr Abstand gewinnen. 

Die Schneegrubenspitze liegt in den Kitzbüheler Alpen, genauer gesagt im „Skitourental“ Kelchsau. Lange stand die Schneegrubenspitze im Schatten des beliebten Steinbergsteins. Aufgrund ihrer nach Nordwesten ausgerichteten Hänge bleibt der Pulverschnee jedoch länger von den Sonnenstrahlen abgeschirmt, was sie mittlerweile ebenfalls zu einem populären Tourenziel macht. 

BergSchneegrubenspitze
2236 Meter
Kelchsau, Tirol
Skitourmittelschwere Skitour
Dauer: 4 bis 4,5 Stunden
Länge: 11 Kilometer
Aufstieg/Abstieg: 1100 Höhenmeter
Hangrichtung: NO, NW, W
Höhenprofil & Karte
AnfahrtParkplatz Wegscheid
Zum Google Maps Routenplaner

Es braucht Geduld

Vom Parkplatz beim Gasthof Wegscheid geht es kurz durch den Wald und anschließend über einen breiten Forstweg in Serpentinen bis hinauf ins Trattenbachtal. An den braunen Südhängen hat die Sonne bereits den Schnee gefressen. Der Trattenbach plätschert munter und vergnügt neben uns. Sein sanftes Rauschen versprüht ein Mantra ewiger Ruhe. „Ist das nicht das Sinnbild eines freien und ungezwungenen Lebens?“, frage ich mich, während ich rechts vom Bach der Straße folge. Bei der Trattenbachalm angelangt, verlassen wir den Forstweg. Über einen kurzen steileren Hang erreichen wir wieder flacheres Gelände und bahnen uns den Weg durch eine lichte Waldpassage. Die strahlend weiße Bergwelt lässt sich zwischen den Bäumen nur erahnen und ich spüre, wie ich langsam ungeduldig werde. Ich frage mich, wann der Gipfel endlich zu sehen sein wird.

Ein Wintertraum in Weiß

Der Wald liegt hinter uns, ein breiter und mäßig ansteigender Hang vor uns. In zahlreichen Kehren, mal spitz, mal weiter, nähern wir uns dem Schneegrubenschartl. Die Flanken der Bergriesen schlummern unter einer dicken Schneedecke. In ihren Rinnen und Furchen wird der Schnee bis ins Frühjahr haften bleiben. Ich lasse mich von der friedlichen Atmosphäre dieser Umgebung mitreißen. Bemüht mich auf die Ruhe und Stille einzulassen. Einfach nur sein und sich erden. Nur an das zu denken, was ich gerade tue und was ich wahrnehme.
Über kupiertes Gelände erreichen wir den flachen Grat südlich der Schneegrubenscharte. Das letzte Stück führt über den langen und breiten Gratrücken in stetigem Auf und Ab zum Gipfel der Schneegrubenspitze. Der Ausblick von hier oben lässt mich die Kälte und die Anstrengung vergessen. Erstaunten Auges schaue ich in die Ferne: unendliche Weite, Berge, Bäume, Himmel, Ruhe. Das atemberaubende Panorama lässt sich in Worten kaum beschreiben. Der Anblick der schneebedeckten Berge hat etwas ganz Besonderes und erfüllt mich mit großer Freude.

Schneegrubenspitze_Skitourengehen
Markant erhebt sich der Große Rettenstein in der Ferne. Er ist zwar nicht der höchste, aber wohl der auffälligste Gipfel der Kitzbüheler Alpen.

Raus aus der Komfortzone

Großer Rettenstein, Kaisergebirge, Hohe Tauern mit Großvenediger, Rofangebirge, Kitzbüheler Alpen, Großer Tanzkogel, Brechhorn. Scheinbar endlos reiht sich ein Gipfel neben den anderen. So viele, dass man sie gar nicht zählen kann. Blütenweiße Bergspitzen übertrumpfen sich an Majestät, eine höher als die andere – wie die Noten eines Lieds. Immer wieder bläst mir eine Windböe stürmisch entgegen. Ungebremst peitschen mir dabei die Schneeflocken ins Gesicht. Dann lässt der Wind mit einem Mal nach und es ist plötzlich still.
„Willst du am Aufstiegsweg zurück oder sollen wir den Nordhang nehmen?“, werde ich gefragt. Ich zögere zu antworten. Tatsächlich bin ich im Zwiespalt. Meine Gedanken sind hin- und hergerissen zwischen meiner Komfortzone und diesem kleinen Funken Neugierde, der mich geradezu anstachelt. Wir sehen uns an. Tief in mir drin wächst in diesem Augenblick die Zuversicht. Die Bedingungen sind heute perfekt – das müssen sie für diese Abfahrt auch sein. Aber ich bin noch nie so einen steilen Hang im freien Gelände gefahren. Eigentlich traue ich es mir zu. „Lass es uns wagen“, gebe ich den Startschuss, um uns für die Abfahrt bereit zu machen.

Schneegrubenspitze_Skitour_Tirol
Schon beim Aufstieg hat man eine fantastische Sicht auf die benachbarten Berghänge. Der Schnee auf den Gipfeln reflektiert grell das Sonnenlicht.
Schneegrubenspitze_Skitour_Aussicht_Berge
Die Berge sind in ihr glänzendes Winterkleid gehüllt.
Schneegrubenspitze_Skitour_Steinmaennchen
Die Schneegrubenspitze bietet eine hervorragende Aussicht auf die Salzburger Kalkalpen, den Watzmann, den Wilden Kaiser sowie die Venediger- und Glocknergruppe.

Nur ein Quäntchen Mut

Und plötzlich klopft mein Herz dann doch bis zum Hals. Von hier oben sieht der Hang richtig steil aus. Es kostet mich ein wenig Selbstüberwindung, aber ich gebe mir einen Ruck und setze entschlossen zum ersten Schwung an. Meine Position am Ski ist stabil und sicher. Schnell und präzise übertrage ich die Kraft auf die Skier und den Druck auf die Kante. Während ich einen Schwung nach dem anderen fahre, versuche ich nicht allzu viel nachzudenken. Desto mehr ich den Kopf ausschalte, umso besser kann ich mich auf meine Körperbalance und die Geschwindigkeit konzentrieren.
In mehreren schnellen Richtungswechseln leiste ich gute Beinarbeit. Ich blende alles um mich herum aus und fokussiere mich einzig und allein darauf, kurz und kräftig die Kanten in den harten Schnee zu drücken. Es ist, als würde ein Filter alles Störende ausblenden. Sämtliche Muskeln meines Körpers sind angespannt. Meine Gedanken drehen sich nur um die nächste Kurve. 

Schneegrubenspitze_Skitour_Panorama
Die dicke Schneeschicht auf den Bergen funkelt wie tausend Diamanten.
Schneegrubenspitze_Skitour_Winter
Kurz vor der Abfahrt steigt die Aufregung. Die steile Nordwand unterhalb des Gipfels ist stark lawinengefährdet und sollte nur bei besten Bedingungen befahren werden.

Im Endorphinrausch

Schließlich habe ich es geschafft und erreiche die Schneegrubenalm. Von der Alm ist es nicht mehr weit zur Aufstiegsspur, der wir für die weitere Abfahrt folgen müssen. Adrenalin pumpt durch meine Adern. Solche Augenblicke am Berg, wenn du über dich hinauswächst, sind immer wieder aufs Neue wie ein Rausch. Ich fühle mich lebendig. Weit weg von meinem gewöhnlichen Ich. Erfahrungen wie diese machen mich stärker und selbstbewusster. Sie geben mir das Gefühl, so viel mehr erreichen zu können, als ich es mir vorstellen kann. 

Fazit zur Tour: Die Schneegrubenspitze ist etwas weniger populär als die Skitourenklassiker Steinbergstein, Lodron und Feldalphorn, aber dennoch eine sehr genussvolle und wunderschöne Skitour in den Kitzbüheler Alpen. Obwohl sich am Parkplatz schon früh morgens viele Tourengeher tummeln, verteilen sich diese gut auf die zahlreichen Gipfelziele der Umgebung. Bei vielen punktet die Schneegrubenspitze nicht nur mit ihrer herrlichen Panoramasicht, sondern auch mit ihrer schattigen Lage, welche den Pulverschnee länger konserviert. Mit ihrem rund 40 Grad steilen Nordhang hat die Schneegrubenspitze zudem ein zweites, sehr rassiges Gesicht. Die Nordabfahrt sollte trotz ihres Reizes aber nur bei sehr sicheren Schneeverhältnissen und geringer Lawinengefahr gewählt werden. Ansonsten empfiehlt sich für die Abfahrt der Normalweg über die Aufstiegsroute.

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