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Im Zauber der Dientner Grasberge: Auf Skiern zum Gipfel des Klingspitz

Der feine Schnee wirbelt durch die Luft und kitzelt sanft meine Nase. Für einen Moment herrscht eine windstille Ruhe, bevor plötzlich eine kräftige Böe die Stille durchbricht. Die Skifelle flattern wie gefangene Vögel in meinen Händen, entwischen mir, während ich versuche, sie behutsam auf das Abdecknetz zu drücken. Ich werfe einen Blick über meine Schulter – der Hochkönig thront in der Ferne, majestätisch und unerschütterlich. Der Panoramablick vom Gipfel lässt jede Eile verblassen. Plötzlich sind die Kälte in meinen Fingern und die Haarsträhnen, die mir ins Gesicht peitschen, nebensächlich. Für einen flüchtigen Moment existieren nur ich und das endlose Meer aus weißen Gipfeln um mich herum. Hier, hoch über dem Alltag, inmitten der Stille der Berge, entdecke ich ein Gefühl von innerem Frieden, das tiefer geht als alles je Gefühlte.

Die zwei Gesichter

Einige Stunden zuvor sind wir am Güterweg in Dacheben gestartet. Der Parkplatz liegt nur einen Katzensprung vom ehemaligen Bergwerksdorf Dienten am Hochkönig entfernt. Die Gegend ist bekannt für ihre atemberaubende Bergkulisse, insbesondere den imposanten Hochkönig, der mit seinen 2.941 Metern Höhe den höchsten Punkt der Berchtesgadener Alpen darstellt. In Sachen Skitouren hat die Region zwei Gesichter: Einerseits das Hochkönig-Massiv mit seinen anspruchsvollen und wilden Touren für erfahrene Skitourengeher und andererseits die sanfteren, zugänglicheren Hänge der Dientner Grasberge. Wir sind heute in letzteren unterwegs. 

BergKlingspitz
1988 Meter
Dienten, Salzburg
Skitourmittelschwere Skitour
Dauer: 3,5 Stunden
Länge: 8,6 Kilometer
Aufstieg/Abstieg: 950 Höhenmeter
Hangrichtung: SO, NO
Höhenprofil & Karte
AnfahrtParkplatz am Güterweg Dacheben
Zum Google Maps Routenplaner

Während der Fuß dieser Berge meist bewaldet ist, sind die Hänge weiter oben schon seit Urzeiten gerodet und durch Almen erschlossen. Runde Gipfelkuppen, sanft geschwungene Kämme und fast durchwegs mäßig steile Hänge bieten ideale Bedingungen für Tourengeher. Nachdem wir die Brücke des Hirschbaches überquert haben, zweigen wir noch vor den Häusern nach Westen in Richtung der freien Sonnenhänge ab. Ein mäßiger Anstieg führt uns über schneebedeckte Wiesen und durch eine idyllische Waldlandschaft. Mit jedem Schritt tauchen wir tiefer in dieses weiße Paradies ein, während der Schnee unter unseren Skiern leise knistert. 

Noch wandeln wir entlang der Spur im kühlen Schatten, doch vor uns lockt bereits der sonnenbeschienene Gipfel.

Spuren im Schnee

Die Berge und Täler, eingehüllt in dichtes Weiß, umspielen sanft die Konturen der Natur. Mit Tourenskiern unter den Füßen wird das Leben zu einem Abenteuer, eine Flucht aus der Routine. Sie bieten mir die Freiheit, überall hinzugehen, wo ich möchte, umgeben von einem Gefühl, als stünde mir die ganze Welt offen. Der Schnee bedeckt jeden Zentimeter des Bodens, weich und unberührt. Er verwandelt die Landschaft in ein endloses Feld aus reinem, blendendem Weiß, das lediglich von den dunkelgrünen Silhouetten der Tannenbäume durchbrochen wird.

Wir folgen der Spur, die den Waldweg empor führt. Licht fällt in weichen Strahlen durch die Äste und zeichnet unterschiedliche Muster auf den Boden. Die Anstrengung des Aufstiegs und das rhythmische Voranschreiten sind nicht nur eine körperliche Herausforderung, sondern auch eine innere Reise. Ein Prozess, bei dem sämtliche Sorgen und der Lärm des Alltags langsam abfallen und von der majestätischen Ruhe der Umgebung verschluckt werden. So marschieren wir, ohne viel nachzudenken, Höhenmeter für Höhenmeter nach oben, bis wir den Wald hinter uns lassen. Ein paar Spitzkehren später erreichen wir bereits die Rettenfeldalm, wo wir eine kurze Pause einlegen.

Anschließend überqueren wir einen Hang unterhalb des Bründlingkopfes und steuern südwärts zur Scharte, wo die Hochkaserkapelle auf 1687 Metern Höhe thront. Eine einladende kleine Holzbank bietet sich für ein Sonnenbad an, doch unser Ziel ist zuerst der Gipfel. 

Skitour_Klingspitz_Hochkasernkapelle
Umgeben von der herrlichen Bergwelt Dientens, bietet die Hochkaserkapelle einen Ort der Besinnung und der Ruhe.

So nah, so fern

Eine Gehstunde sind es laut Wegweiser von hier noch bis zur Spitze. „Das sieht gar nicht so weit aus“, sage ich mit einem Hauch von Optimismus. Die letzten 300 Höhenmeter gestalten sich jedoch viel steiler als der Rest des Weges. Entschlossen ziehen wir unsere Spur den Südrücken hinauf. Von hier aus scheint der Gipfel nur mehr einen Steinwurf entfernt zu sein. „Glaubst du, der Weg führt hier entlang?“ Der Hang vor uns ist ein wildes Gewirr aus unzähligen Spuren. Mit unsicheren Blicken stehen wir da und grübeln darüber, welchem Pfad wir am besten folgen sollten.

Während ich mich den Berghang hinaufkämpfe, merke ich, wie Zeit und Entfernung sich unerwartet weiten. Der Gipfel, der so greifbar schien, rückt mit jeder Spitzkehre scheinbar ein Stück weiter weg, als würde er vor mir zurückweichen, statt näherzukommen. Die Anstrengung macht sich breit, ein konstantes Ziehen in den Muskeln, begleitet von meinem Atem, der immer schwerer und tiefer wird. Aber es ist genau diese Herausforderung, die in mir einen immer stärkeren Willen zur Beharrlichkeit weckt.

Trotz der intensiven Anstrengung in meinen Beinen treibt mich der unerschütterliche Wille voran. Kurz vor dem Ziel verdeckt eine große Wechte das sehnsüchtig erwartete Gipfelkreuz, doch tief in mir weiß ich, dass es jetzt nicht mehr weit sein kann. Ich ermahne mich, dass nur noch ein paar Kurven übrig sind. Auf den letzten Metern packt mich erneut die Motivation und mit entschlossenen Schritten meistere ich die letzte steile Passage.

Skitour_Dienten_Klingspitz_Grasberge
Stück für Stück, mit jeder Skilänge des Aufstiegs, enthüllt sich das atemberaubende Panorama.

Ein Schluck Freiheit

Oben angekommen, begrüßt mich sogleich der kräftige Wind, der mir entgegen pustet. Ich drehe mich um zum Hochkönig. Mein Blick schweift weiter über das Steinerne Meer, die Leoganger Steinberge und die Hohen Tauern sowie die benachbarten Gipfel Schneeberg, Ahornstein, Hocheck und Hundstein. Doch der Hochkönig ist zweifelsohne die Kirsche auf der Gipfeltorte. Und da ist es wieder: dieses süchtig machende Gefühl, das Ziel erreicht zu haben. Sich selbst trotz aller Strapazen bis hierher motiviert zu haben. Es ist das ständige Überwinden eigener Grenzen, das Bergsteigen für mich so besonders macht. Für einen Moment stehe ich einfach nur da, die Hände in die Hüften gestemmt, während ein kühler, erfrischender Wind mein Gesicht streichelt. Plötzlich verwandelt sich die Anstrengung in endlose Freude und Euphorie. Noch etwas außer Atem und mit pochendem Herzen genieße ich die Aussicht. Jeder Blick über die endlose Weite erweckt in mir das Gefühl von Unendlichkeit und Freiheit.

Skitour_Klingspitz_Hochkönig_Aussicht
Die endlose Weite der Berglandschaft und die unzähligen mit Schnee bedeckten Gipfel in der Ferne erfüllen mich mit dem Gefühl grenzenloser Freiheit und lassen mich den Alltag für einen Moment vergessen.

Die „heilige Firnung“

Aber bald erhebt sich der Wind erneut, mahnt uns zur Eile. „Es wird Zeit, dass wir uns auf den Weg machen“, schlägt meine Freundin vor, und ich nicke zustimmend. Schnell bereite ich mich auf die Abfahrt vor: Ich stelle die Bindungen um, ziehe die Schnallen meiner Skischuhe fest, setze den Helm auf, verstaue die Felle im Rucksack und schlüpfe in meine Hardshelljacke. Diese Routine ist mir inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen. Noch ein letzter, sehnsüchtiger Blick auf das grandiose Panorama, dann leite ich mit einem kraftvollen Schwung die Abfahrt ein.

„Es hat aufgefirnt“, rufe ich von einer Welle purer Begeisterung erfasst. Das Gefühl unter meinen Skiern ist schwer in Worte zu fassen – eine cremige Weichheit gepaart mit unerwartetem Grip, als hätte der Schnee beschlossen, uns das Beste aus beiden Welten zu schenken. Während wir die Hänge hinab gleiten, zischt und spritzt der Schnee unter unseren Skiern. Es gibt nichts, das diesen Moment trüben könnte – keine Buckel, kein Rattern über gefrorene Spuren, kein Brennen in den Oberschenkeln. Nur ein schneeweißer, körniger Teppich, der jede Bodenwelle sanft umhüllt und ein Gefühl vermittelt, als würden wir über eine Wolke schweben. Mit jedem Schwung spüre ich, wie der Firn nachgibt und doch genug Widerstand bietet, um meine Kurven präzise und kraftvoll zu durchfahren. Ich fühle mich schwerelos, als könnte ich endlos so weiterfahren – jede Kurve, jeder Augenblick bringt ein neues Hochgefühl.

Skitour_Klingspitz_Abfahrt_Bergpanorama
Bei der Abfahrt werfen wir einen letzten Blick auf die unberührte weiße Bergwelt, die das Herz jedes Tourengehers höherschlagen lässt.

Wenn Berge flüstern

Endlich erreichen wir wieder die kleine Kapelle, unser Zeichen, uns die wohlverdiente Pause zu gönnen. Mit dem Geschmack von Manner-Schnitten, die Sonne wärmend auf unserem Gesicht und dem atemberaubenden Panorama der verschneiten Bergwelt vor uns, wünsche ich mir, die Zeit möge stillstehen. Für einige mag die Faszination der Berge unergründlich sein. Aber hier, in diesen Minuten, fühle ich eine grenzenlose Freiheit. Befreit von den Zwängen des Alltags, losgelöst von einem schlechten Gewissen, das mich manchmal befällt, weil nicht jeder verstehen kann, warum es mich immer wieder in diese Höhen zieht. Raus in die Berge. Weg vom Tal. Ganz nah zu mir selbst. Diese Verbindung, die ich hier oben in der Stille der Natur spüre, ist etwas, das nur jene nachempfinden können, die es selbst erlebt haben. Solche Momente schweißen zusammen, schaffen eine tiefe Verbundenheit. „Das Leben ist schön“, geht mir durch den Kopf, erfüllt von einer tiefen Zufriedenheit, während ich zur letzten Manner-Schnitte greife, die mir meine Freundin mit einem verstehenden Lächeln reicht.

Skitour_Klingspitz_Hochkönig_Aussicht
Die markante Gestalt des Hochkönigs, geprägt von seinen spitzen Gipfeln und den steil aufragenden Felswänden, verleiht ihm eine unverwechselbare und imposante Erscheinung.

Ein Gipfel, viele Varianten

Fazit zur Tour: Mit einer Skitour auf den Klingspitz kann man eigentlich nichts falsch machen. Kein Wunder, dass sie zu den beliebtesten Skitouren der Region zählt. Die Route schlängelt sich hauptsächlich durch idyllisches Almengelände mit sanften Steigungen, unterbrochen nur von einigen wenigen herausfordernden Spitzkehren. Bei idealen Schneeverhältnissen entfaltet die Tour ihren vollen Charme, indem sie eine verlockende Mischung aus cremeweichen Firn und federleichtem Pulverschnee bietet. Für diejenigen, die das Kribbeln im Bauch suchen, verspricht die steile Nordostabfahrt ein aufregendes Abenteuer – natürlich nur, wenn die Lawinensituation dies zulässt. Sie windet sich elegant über die Deutingalm zurück zum Ausgangspunkt. Weniger anspruchsvoll, aber nicht minder schön ist hingegen die Abfahrt über die Marbachhöhe oder den Aufstiegsweg. Grundsätzlich gibt es folgende Varianten für die Skitour auf den Klingspitz:

  • die hier beschriebene Variante von Dienten über die Hochkaserkapelle auf den Klingspitz (kürzeste Variante)
  • von Dienten über die Reicheralm und die Deutingalm auf die Marbachhöhe und weiter auf den Klingspitz (Südost, Ost)
    Zur Tourenbeschreibung
  • von Hintermoos über die Eggeralm und die Geralm auf die Marbachhöhe und weiter auf den Klingspitz (Nordost)
    Zur Tourenbeschreibung
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