Unter Trommelwirbel werden die bunten Fahnen geschwenkt. Gregorianische Klänge hallen durch die Steingässchen. In einem fesselnden Turnier treten die Repräsentanten der vier Stadtteile gegeneinander an. Mit Armbrüsten und Lanzen ausgestattet stellen sich zwei Männer dem Duell. Ringsum applaudiert das Publikum. Neugierige und angespannte Blicke verfolgen, wie sich die beiden mit geschmeidigen und grazilen Bewegungen der Offensive des Gegners entziehen. Zwischen Tanzdarbietungen, Pferderennen und mittelalterlichen Märkten hat man das Gefühl, in die Vergangenheit gereist zu sein. Das Mittelalter erwacht inmitten des kleinen Städtchens San Gimignano zu neuem Leben. Versetzt uns mit einem Schlag in die Zeit von Rittern, Knappen, Minnesängern und Kreuzzügen.
Schlanke Türme schrauben sich in den Himmel. Jedes der alten Steinhäuser ist ein Gesamtkunstwerk für sich. Dicke Mauern mit kleinen Fenstern, Portalen, Säulen und Bögen säumen die Straßen. Sie wirken abweisend, mächtig und wehrhaft wie eine Festung. Fast spurlos sind die Jahrtausende an diesen Bauwerken vorbeigezogen. Alles ist so anders, so fremd. Durch einen Torbogen geht es in die nächste Gasse. Geschäfte und Restaurants buhlen um Kundschaft. Die Eindrücke prasseln auf mich ein. Es fällt mir schwer, sie alle zu greifen. Ich lasse mich treiben. Die Gerüche, die Geräusche und die Atmosphäre auf mich einströmen. Menschen drängen an mir vorbei. Italienische Wortfetzen fliegen durch die Luft. Quirlig, lebendig und faszinierend – das ist San Gimignano.
Inhaltsverzeichnis
Wissenswertes
San Gimignano im Überblick
Die Kleinstadt San Gimignano ist nicht nur wegen ihrer berühmten Türme einen Besuch wert. Malerisch liegt sie auf einem kleinen Hügel in 334 Metern Höhe oberhalb des Val d’Elsa. Etruskische Siedlungen gab es in San Gimignano bereits 300 bis 200 Jahre vor Christus. Im Mittelalter lag das Städtchen direkt an der Via Francigena (Frankenstraße), der Hauptverbindungsstraße der Händler auf ihrem Weg nach Rom. Dieser Umstand begünstigte die Entwicklung der Stadt, sodass es im 12. und 13. Jahrhundert zu einem wirtschaftlichen Aufschwung kam. Dazu trug vor allem der Handel mit Safran zum Einfärben von Kleidung bei. Von der politischen Spaltung und den Kämpfen zwischen den Familien der Stadt zeugen heute noch die sogenannten Geschlechtertürme.
In Folge der Pest und der nachlassenden Bedeutung der Frankenstraße verlor auch San Gimignano zusehends an Relevanz. Es folgte ein wirtschaftlicher, politischer und kultureller Zusammenbruch, der die Stadt in einen Dornröschenschlaf versetzte. Die Hochrenaissance und der Barock zogen spurlos an San Gimignano vorüber. Der Charme des romantischen Mittelalterstädtchens blieb infolgedessen bis in die Gegenwart erhalten.
Heute zählt San Gimignano 7717 Einwohner (Stand 2019) und gehört neben Florenz, Siena und Pisa zu den meistbesuchten Orten der Toskana.
Anreise und Transport vor Ort
Wenn du bereits in der Toskana unterwegs bist, bietet es sich an, mit einem Mietwagen oder dem eigenen Auto nach San Gimignano zu fahren. Rund um die Stadt gibt es mehrere Parkplätze, wo du dein Auto abstellen kannst, um zu Fuß ins Stadtzentrum zu spazieren. Der nächstgelegene Flughafen ist Florenz, welcher etwa eine Stunde Fahrtzeit entfernt liegt. San Gimignano selbst hat keinen Bahnhof. Der nächste Bahnhof befindet sich in Poggibonsi. Busverbindungen nach San Gimignano gibt es sowohl von Florenz als auch von Poggibonsi.
Wie viel Zeit sollte man für San Gimignano einplanen?
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von San Gimignano kann man ganz leicht an einem Tag besichtigen. Wer das Flair der unvergleichbaren Mittelalterstadt ein bisschen länger genießen oder dem Trubel der Tagestouristen entfliehen möchte, bucht eine oder mehrere Übernachtungen in der Stadt.
Sehenswürdigkeiten
Geschlechtertürme
Es scheint, als würden sie nach den Wolken greifen. Wie Kerzen überragen die schmalen Türme das steinerne Häusergewirr von San Gimignano. Waren es um 1300 noch 72 Türme, so sind es heute nur mehr 15 an der Zahl. Schon aus weiter Ferne ist die einzigartige Skyline sichtbar. Die zahlreichen sogenannten Geschlechtertürme machen die Stadt zum Manhattan des Mittelalters. Sie wurden von einflussreichen und vermögenden Familien zu Wohn-, Verteidigungs- und Prestigezwecken errichtet. Zudem dienten sie dem Ausdruck der Rivalität zwischen den verschiedenen Familienclans.
Die beiden höchsten Türme sind 54 und 51 Meter hoch. Der Höhere der beiden wird „Torre Grossa“ genannt. Er wurde 1310 erbaut und wirft seinen Schatten auf den Palazzo del Popolo, das Rathaus von San Gimignano. Die Torre Grossa ist der einzige Turm der Stadt, den man über 253 Stufen besteigen kann. Die Aussicht lohnt die Mühe, denn von oben genießt man einen atemberaubenden Blick über das mittelalterliche San Gimignano und die von Weinbergen, Zypressen und Olivenhainen überzogene Hügellandschaft.
Der zweithöchste und älteste Turm der Stadt ist die Torre Rognosa. Er stammt aus 1200 und diente lange Zeit als Gefängnis, bis er 1537 schließlich in ein Theater umgewandelt wurde. Heute schmiegt er sich sanft an den Palazzo del Podestà mitten an der zentralen Piazza del Duomo.
Piazza del Duomo
Der Hauptplatz von San Gimignano ist seit dem Mittelalter der Dreh- und Angelpunkt des politischen und kulturellen Lebens der Stadt. Besondere Schmuckstücke der mittelalterlichen Architektur sind die Domkirche, der Palazzo del Popolo und der Palazzo del Podestà, der im 12. Jahrhundert gebaut wurde und einst der Sitz des Bürgermeisters war.
Palazzo del Popolo (Neues Rathaus)
Zahlreiche steinerne Wappen zieren die Fassade des Rathauses von San Gimignano, welches oft auch als „Palazzo Nuovo del Podestà“ oder Palazzo Comunale“ bezeichnet wird. Es wurde 1288 vermutlich von Arnolfo di Cambio errichtet und 1323 erweitert. Der Prachtbau liegt an der Südseite des Domplatzes und beherbergt zum einen das Museo Civico, das Stadtmuseum, in dem Mittelalter- und Renaissancekunst ausgestellt ist. Zum anderen ist in dem Gebäude die Pinacoteca Civica untergebracht, die schöne Beispiele florentinischer und sienischer Malerei zeigt. Im ersten öffentlich zugänglichen Raum des Museums, der Sala del Consiglio oder Sala di Dante befindet sich ein riesiges Gemälde, die Maestá, von Lippe Memmi.
Collegiata Santa Maria Assunta
Jeden Quadratzentimeter der hohen Wände bedecken Fresken. Ein kräftiger Blauton setzt gekonnte Akzente im Kreuzgewölbe. Die wunderschön und fein gearbeiteten Malereien aus dem 14. und 15. Jahrhundert erzählen Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament. Die kräftigen Farben und akribischen Details ziehen mich in ihren Bann. Vergebens versuchen meine Augen all die Finessen jedes Bildes zu erfassen, ihm all seine Details zu entlocken. Und dann entdecke ich doch etwas Bekanntes: Das typisch toskanische schwarz-weiße Streifenmuster ziert die Rundbögen. Wer hätte gedacht, dass hinter der schlichten romanischen Fassade solche Meisterwerke schlummern.
Der Dom von San Gimignano wurde 1148 geweiht und 1460 erweitert. Die eindrucksvollen Fresken stammen von unterschiedlichen Malern der sienischen Schule wie Bartolo di Fredi, Lippo Memmi, Benozzo Gozzoli und Taddeo di Bartolo. Ein weiteres Highlight der Kirche ist die Capella die Santa Fina von Giuliano und Benedetto da Maiano, die der Schutzheiligen San Gimignanos gewidmet ist.
Piazza della Cisterna
Seinen Namen hat die schöne Piazza della Cisterna unweit des Domplatzes von einer öffentlichen Zisterne, die 1287 geschaffen wurde. Der Travertini-Ziehbrunnen ist bis heute ein toller Blickfang.
Ein weiteres besonderes Gebäude ist der Teufelsturm (Torre del Diavolo) des Palazzo dei Cortesi. Der Legende nach leitet sich der Name von der erstaunlichen Überhöhung ab, die der Besitzer eines Tages bei seiner Rückkehr von einer Reise mit Überraschung feststellte. Seine Erklärung: Bei dieser mysteriösen Gegebenheit müssen Dämonen im Spiel gewesen sein.
Die Piazza della Cisterna war früher ein Marktplatz mit Tavernen und Werkstätten, auf dem auch immer wieder Turniere und Feste veranstaltet wurden. Unter den mittelalterlichen Herren- und Turmhäusern aus dem 13. Jahrhundert befindet sich auch die Residenz der Ardinghelli mit ihren Zwillingstürmen, der Palazzo Razzi mit seinen charakteristischen Fensterkreuzen sowie der Palazzo Tortoli-Treccani, dessen elegante Spitzbogenfenster sofort ins Auge fallen. Die Casa Salvestrini, ein ehemaliges Krankenhaus, beherbergt heute ein Hotel.
Mein Tipp: Direkt an der Piazza della Cisterna liegt die Gelateria Dondoli, einer der weltberühmtesten Eisläden. Sergio Dondoli zählt nämlich zu den weltweit besten Eismachern und hat mit seiner Gelateria bereits unzählige Preise gewonnen.
Weitere Highlights
- Recht nahe am Ortsrand steht die Kirche Sant’Agostino, die für ihren 17-teiligen Freskenzyklus von Benozzo Gozzoli und den prächtigen Marmoraltar von Benedetto da Maiano in der Capella die San Bartolo bekannt ist.
- Die mittelalterliche Stadtmauer von San Gimignano ist 2176 Meter lang und besitzt insgesamt fünf mächtige Tore. Sie kann entlang eines Spazierweges erkundet werden.
- Sehenswert ist ebenso die Ruine Montestaffoli an der höchsten Stelle des Stadthügels im Parco della Rocca, die ursprünglich 1353 errichtet wurde. Heute ist nur mehr ein Turm übrig, von dem man einen schönen Ausblick auf die Altstadt hat.
- Das Turmhaus „Torre e Casa Campatelli“ ist ein Palast aus dem 18. Jahrhundert. Beim Besuch des Museums kannst du in den Alltag, die Sitten und Gebräuche einer toskanischen Familie des Großbürgertums eintauchen. Ausgestellt sind nicht nur private Gebrauchsgegenstände, Sammlungen und Kunstwerke, sondern auch zahlreiche Möbelstücke.
Auf der Website findest du alle Informationen zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen der verschiedensten Sehenswürdigkeiten. Wenn du mehrere Sehenswürdigkeiten besichtigen möchtest, lohnt sich der San Gimignano Pass.
Essen und Trinken
In der Altstadt von San Gimignano bleibst du garantiert nicht lange hungrig. Dort reiht sich nämlich ein Restaurant an das nächste. Die Bandbreite reicht von bodenständiger toskanischer Küche bis hin zu eleganten Gourmetrestaurants. Da San Gimignano meist sehr gut besucht ist, solltest du unbedingt vorab reservieren.
In der nachfolgenden Karte findest du meine Restaurant-Tipps für San Gimignano.
Hoteltipp für San Gimignano
Agriturismo Cesani
Nur etwa 13 Autominuten von San Gimignano entfernt liegt das idyllische Agriturismo Cesani. Das Landgut befindet sich in einer sehr ländlichen Umgebung inmitten von Oliven- und Weinfeldern und bietet seinen Gästen insgesamt 10 Zimmer zum Übernachten. Zur Anlage gehört auch ein kleiner Außenpool, in dem man sich an heißen Tagen wunderbar erfrischen kann. Die Zimmer sind im traditionellen Landhausstil eingerichtet. Darüber hinaus verfügt der Gutshof über eine malerische Gartenterrasse mit Blick auf die umliegende Landschaft. Besonders schön ist es, den Tag dort mit einem Gläschen des hauseigenen Weins und einer leckeren toskanischen Vorspeisenplatte ausklingen zu lassen.
Das Personal war stets freundlich, hilfsbereit und gab uns praktische Restaurants- und Ausflugstipps. Ein schmackhaftes Frühstück wurde täglich im Freien serviert. Neben dem klassischen italienischen Frühstück, das meist nur aus einem Croissant bzw. Kuchen und Kaffee besteht, gab es auch alles, was zu einem herzhaften mitteleuropäischen Frühstück gehört. Empfehlen kann ich dir auch die hauseigenen Produkte wie Wein, Olivenöl oder diverse Aufstriche. Aufgrund der ländlichen Lage ist die Anreise zum Agriturismo Cesani am einfachsten mit dem eigenen Auto.
Ausflugstipp: Volterra
Ich stehe mitten in einem der vielen Feinkostläden Volterras. In meinen Händen liegt ein großer runder Peccorino-Käse. Eine Spezialität der Region. Ebenso wie die Wildschweinsalami, die wir soeben verkostet haben. Letztlich landet beides in unserer Einkaufstüte. Denn was gibt es Besseres als eine kulinarische Erinnerung an dieses herrliche Fleckchen Erde?
Neben zahlreichen Delikatessenläden ist Volterra vor allem für die Verarbeitung von Alabaster bekannt und war einst das bedeutendste Alabasterzentrum der Welt. Alabaster sieht übrigens aus wie Milchglas oder Marmor, ist aber eine besondere Varietät von Gips. Noch heute gibt es zahlreiche Werkstätten in der Stadt. Aber Volterra hat noch mehr zu bieten: Die uralte Etruskerstadt, damals unter dem Namen Velathri bekannt, gehörte einst zum Zwölfstädtebund Etruriens.
Die Etrusker waren die erste Hochkultur Italiens, die sich zwischen dem 9. und dem 1. Jahrhundert vor Christus entfaltete. Ihren Höhepunkt erlangte sie zwischen dem 6. und 5. Jahrhundert vor Christus. Von der antiken Stadt ist leider nicht mehr viel übrig geblieben, sodass heute vor allem die mittelalterliche Altstadt das Erscheinungsbild Volterras prägt.
Sehenswürdigkeiten
Festungsartige Mauern, verspielte Spitzbögen und zweiflügelige Fenster: Das mittelalterliche Erbe Volterras ist am stärksten auf der Piazza dei Priori spürbar. Mit seinem Glockenturm und den markanten Zinnen ist der Palazzo dei Priori, das älteste Rathaus der Toskana aus dem Jahr 1208, ein absoluter Hingucker. Gleich gegenüber steht der Palazzo Pretorio aus dem 13. Jahrhundert, dessen Turm nach der schweinchenartigen Alabasterfigur am Gesims „Torre del Porcellino“ genannt wird.
Mein Tipp: Vom Turm des Palazzo dei Priori hast du einen traumhaften Blick über das Zentrum der Stadt. Mit dem Eintrittsticket kannst du nicht nur den Turm besteigen, sondern auch den mit Fresken reich verzierten Ratssaal besichtigen.
Auch die Römer hinterließen ihre Spuren in Volterra. Entlang der Viale Franco Poretti befindet sich das antike römische Theater von Volterra. Es ist ein stiller Zeitzeuge der römischen Herrschaftsperiode und stammt aus dem 1. Jahrhundert vor Christus, der Zeit von Kaiser Augustus. Finanziert wurde es von der wohlhabenden Familie Caecina zu Ehren des Kaisers. Ende des 3. Jahrhunderts wurde das Theater jedoch aufgegeben und an seinem Platz entstand später ein Thermalbad. Entdeckt wurden die Reste des römischen Theaters erst in den 1950er-Jahren durch den Historiker Enrico Fiumi. Als ich auf die verwitterten Sitzränge, die Überreste der Bühne und den verfallenen Orchestergraben blickte, stelle ich mir vor, wie hier einst bis zu 3500 Menschen dem Spektakel beiwohnten. Wie sie Beifall klatschten, um ihren Wetteinsatz zitterten und über das Schicksal von Mensch und Tier entschieden.
Das älteste etruskische Stadttor Italiens ist die Porta all‘Arco am südseitigen Eingang zur Stadt. Es war einst Teil der etruskischen Stadtmauer und wurde zwischen dem 4. und 3. Jahrhundert vor Christus erbaut. Was die drei Figurenköpfe am Torbogen darstellen könnten, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.
Eine aufwendig geschnitzte Kassettendecke, stuckverkleidete Säulen und ein reliefverziertes Taufbecken erwarten dich beim Besuch der bedeutendsten Kirche von Volterra, der Cattedrale di Santa Maria Assunta. Die dreischiffige Basilika stammt aus dem 12. und 13. Jahrhundert, wurde aber im 16. Jahrhundert im Stil der Spätrenaissance umgestaltet.
Wenn du noch etwas Zeit übrig hast, solltest du den Palazzo Viti besuchen. Das prächtige Gebäude zählt zu den schönsten privaten Wohnanlagen Italiens. Bei einem Rundgang durch Zimmer des Privatpalastes des Alabasterhändlers Guiseppe Viti kannst du die prunkvollen antiken Möbel, Gemälde, Porzellan- und Alabastersammlungen aus dem 17 bis 19. Jahrhundert bestaunen.
Auf der Website findest du alle Informationen zu den aktuellen Öffnungszeiten und Eintrittspreisen der verschiedensten Museen und Sehenswürdigkeiten in Volterra. An den Museumskassen kannst du auch eine Sammelkarte für mehrere Museen erwerben, die 72 Stunden gültig ist.
Restaurant-Tipp: Wenn dir nach dem Sightseeing der Magen knurrt, kann ich dir die Osteria Fornelli, La Carabaccia oder die Osteria La Pace Volterra empfehlen.