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Natur pur erleben: Wanderung über den Twenger Almsee zum Großen Gurpitscheck

Der Kontrast könnte nicht größer sein: Gerade noch war ich umgeben von rauen Felswänden, kargen Schuttfeldern und dem scharfen Wind des Gipfels – doch plötzlich stehe ich vor diesem schweigsamen, klaren Wasser, das inmitten der wilden Berglandschaft wie ein sanfter Ruhepol wirkt. Es ist, als ob die Welt für einen Moment innehält. Der raue, unnachgiebige Fels, der mich eben noch gefordert hat, scheint sich zurückzuziehen, während der See mich in seine Ruhe einhüllt. Diese Stille hat etwas Beruhigendes, beinahe Magisches. Ich schaue in das glasklare tiefblaue Wasser, in dem sich die umliegenden Gipfel spiegeln, und es fühlt sich an, als ob der Bergsee eine eigene kleine Welt erschaffen hätte – ein Ort, der nur für diesen Augenblick existiert.

Im Verborgenen

Der Twenger Almsee liegt in den Niederen Tauern im Salzburger Bezirk Lungau in Österreich. Er ist ein kleiner Bergsee in einer idyllischen Gebirgslandschaft, eingebettet zwischen grünen Almwiesen und den Gipfeln der Radstädter Tauern auf etwa 2.120 Metern Höhe. 

Die Wanderung beginnt beim Jugendheim Schaidberg auf 1.600 Metern und verläuft über einen mäßig steilen Forstweg durch einen duftenden Lärchen- und Zirbenwald. Nach der unbewirtschafteten Ernstalm flacht der Weg ab und zieht sich gemütlich durch ein charmantes Almgebiet. Hier hat man ausreichend Zeit, den Blick schweifen zu lassen und sich in der Weite der umliegenden Gipfel zu verlieren: Die Große Kesselspitze, das Schwarzeck, das Schareck und das Weißeck erheben sich majestätisch am Horizont. 

BergGroßes Gurpitscheck
2526 Meter
Tweng, Salzburg
WandernSchwierigkeit: schwerer Bergweg
Dauer: 5 Stunden
Länge: 12 Kilometer
Aufstieg/Abstieg: 850 Höhenmeter
Höhenprofil & Karte
HütteTwengeralm
AnfahrtÖffentlicher Liftparkplatz P7 (Schaidberglift)
Zum Google Maps Routenplaner

Auf Höhe der bewirtschafteten Twengeralm, die im Sommer zur Rast einlädt, zweigt der Weg nach links ab. Zunächst führt er sanft durch blühende Almwiesen, begleitet vom leisen Plätschern eines Gebirgsbaches. Doch bald wandelt sich der Pfad zu einem erdigen Wandersteig, der über unebenes Gelände führt – nicht schwer, aber mit jedem Schritt etwas herausfordernder. Der Anstieg wird allmählich steiler und ich merke, wie die Muskeln zu arbeiten beginnen, während sich die Hitze in meinem Gesicht langsam ausbreitet. 

Gurpitscheck_Alm
Ein sanfter Forstweg schlängelt sich von der Ernstalm immer tiefer in die beeindruckende Bergwelt, bis er direkt zur idyllischen Twengeralm führt, umgeben von saftigen Almwiesen und mächtigen Gipfeln.

Wie winzige Eiskristalle

Um mich herum leuchtet das Grün der Almwiesen, als hätte die Natur einen dichten, samtigen Vorhang über die Landschaft gezogen. Doch plötzlich durchbrechen lautes Stöhnen und wildes Lachen die Stille, gefolgt von einem scharfen Platschen. Die ersten Mutigen haben den Sprung in den eiskalten Almsee gewagt, der sich in einer abgeschiedenen Karmulde verbirgt. Sobald sie ins Wasser eintauchen, schießt die Kälte wie tausend Nadelstiche über die Haut – der Atem stockt und für einen Moment scheint das Herz schneller zu schlagen, während der Körper gegen den Schock ankämpft. Die eisige Umarmung des Wassers ist so intensiv, dass selbst die Geräusche der Schwimmer die Kälte spürbar machen – als ob man selbst in dieses schneidende, klare Wasser eintauchen würde, das den ganzen Körper sofort wachrüttelt. Gerade jetzt ärgere ich mich ein wenig darüber, keine Badesachen eingepackt zu haben.

Ich lege nach anderthalb Stunden trotzdem eine kurze Pause am Ufer des Sees ein, bevor ich meinen Weg in Richtung Gurpitscheck fortsetze. An einem ruhigen Plätzchen lasse ich mich nieder und spüre, wie die friedliche Stimmung mich allmählich umhüllt. Während ich auf die dunkelblaue Wasseroberfläche starre, erlaube ich mir für einen Moment, einfach an nichts zu denken – nur den Augenblick zu genießen, ohne jede Ablenkung.

Wie ein riesiger Infinity-Pool liegt der Twenger Almsee am Fuße der Gollitschspitze.

Faszination der Gegensätze

Es ist genau dieser Gegensatz, der die Magie entfaltet: Die unbändige Kraft der Berge trifft auf die sanfte Anmut des Sees. Die Luft hier oben ist klarer, frischer – ein Atemzug, den nur wenige nehmen können. Die unberührte Natur und ihre sanfte Atmosphäre wärmen das Herz auf eine Weise, die nicht jedem vergönnt ist. Es ist ein Augenblick des Innehaltens, des Staunens – und das Wissen, dass man an einem Ort ist, dessen volle Schönheit nur jene erfahren, die bereit sind, sich zu Fuß auf den hierher Weg zu machen. Hier, inmitten dieser imposanten Naturkulisse, fühlt man sich beflügelt und getragen vom Glück, einen Ort entdeckt zu haben, den nicht jeder sehen, fühlen und schätzen kann.

Schließlich leitet mich der Weg rechts um den See herum, dann steil hinauf zu einem Sattel. Ein Wegweiser weist nach rechts in Richtung Großes Gurpitscheck. Aus der Vogelperspektive wird deutlich, dass der See die Form eines Herzens hat – was für eine schöne Geste der Natur. Auf der anderen Seite des Sattels erhasche ich einen Blick auf den Schönalmsee, der nur fünf Meter tiefer liegt als der Twenger Almsee. Die beiden Bergseen scheinen wie verborgene Juwelen in der rauen Landschaft.

Mitten ins Herz

Der schmale Steig zum Großen Gurpitscheck folgt dem Südost-Kamm und beginnt gleich mit einer ersten steilen Stufe. Danach führt der Weg sanft über breite Graskuppen, bevor am Ende noch einmal ein steiles Blockgelände wartet. Immer wieder halte ich inne, überwältigt von der Schönheit, die sich vor meinen Augen entfaltet. Die Natur hat hier eine Landschaft geschaffen, die mein Herz zum Beben bringt. „Obwohl ich schon so oft in den Bergen war, schafft es die Natur jedes Mal wieder, mich mit ihrem Zauber sprachlos zu machen“, denke ich mir.

Der Kamm zur Gollitschspitze wird von beiden Seiten von den beiden Bergseen flankiert, die wie zwei blaue Tropfen inmitten der einzigartigen Bergkulisse liegen. Sie sind stille, blaue Augen in einem Meer aus lebendigem Grün, als ob die Berge selbst die Hüter dieses kostbaren Schatzes wären. Um mich herum ragen die Berge auf, ihre grünen Hänge verschmelzen sanft mit den grauen, zerklüfteten Felsspitzen. Es ist ein Kunstwerk der Natur – schroff und doch harmonisch, wild und doch von einer beispiellosen Faszination durchdrungen.

Wo der Fels schweigt

Der letzte Abschnitt meiner Wanderung wird zunehmend felsiger, das Terrain unwegsamer und ausgesetzter. Über loses Geröll und eine kurz versicherte Platte winde ich mich um einen großen Felsen auf der linken Seite. Jeder Schritt erfordert volle Konzentration, denn die brüchige Ostflanke stellt Körper und Geist auf die Probe. Doch der Gipfel ist nah, ich spüre ihn förmlich. Kurz vor dem Ziel erwartet mich eine letzte, anspruchsvolle Felsstufe, ebenfalls seilversichert.

Diese ungezähmte Landschaft fasziniert mich jedes Mal aufs Neue, als würde sie mich mit einer geheimen Kraft anziehen. Sie weckt in mir das tiefe Gefühl, Entdeckerin einer unbekannten Welt zu sein, die ich Schritt für Schritt ergründe. Mit gespannter Vorfreude frage ich mich, was sich hinter dem nächsten Felsblock verbergen könnte. Manchmal zeigt sich der Pfad klar vor mir, doch an anderen Stellen zwingt mich das wilde Gelände dazu, aufmerksam nach der nächsten rot-weiß-roten Farbmarkierung zu suchen. 

In diesen Momenten bin ich ganz auf mich selbst gestellt, vertraue meiner Intuition, während die Ungewissheit, was die nächsten Meter bringen, mich begleitet. Doch genau diese Spannung ist es, die mich antreibt, die mich weiterzieht. Mal sehen, ob’s jetzt knackiger wird oder ich durchatmen kann“, denke ich mir. Mit jedem Schritt tauche ich tiefer in diese zerklüftete, ungezähmte Landschaft ein. Nur wenige Wanderer kreuzen meinen Weg; die meisten sind am Almsee geblieben, und so gehört diese einsame, kostbare Umgebung beinahe ganz mir allein.

Seen Grosses Gurpitscheck
Die bezaubernde Natur hier verschlägt mir den Atem – die glasklaren Seen, eingebettet in die friedliche Berglandschaft, lassen mich einfach nur stehenbleiben und staunen.
Grosses Gurpitscheck
Auf meinem Aufstieg zum Gipfel des Großen Gurpitschecks werde ich von einer neugierigen Schafherde begleitet, die wie stille Wächter den Pfad säumen. Im Hintergrund ragen die imposanten Gipfel der Schladminger Tauern auf und verleihen der Szenerie eine eindrucksvolle Kulisse.
Gipfelweg zum Grossen Gurpitscheck
Der Gipfel des Großen Gurpitschecks ist fast zum Greifen nah.

Freudentanz

„Noch ein beherzter Ruck, und du bist oben“, sage ich mir und greife entschlossen das Stahlseil, um mich den letzten Metern zum Gipfel des Großen Gurpitschecks entgegenzuziehen. Oben angekommen, empfängt mich überraschend die Sonne, die sich nach langer Abwesenheit wieder zeigt. Nachdem ich die ersten Eindrücke in mir aufgesogen und mein obligatorisches Gipfelfoto geschossen habe, lasse ich meinen Gefühlen freien Lauf. Mit keinem Menschen weit und breit spiele ich eines meiner Lieblingslieder ab. Ich tanze, fühle mich unbesiegbar, willensstark – einfach glücklich. Es ist wie ein Rausch, der meinen Körper durchströmt, von den Zehen bis in die Haarspitzen. Ich schließe die Augen, singe leise mit und lasse mich ganz von diesem Moment tragen, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. 

Als ich langsam die Augen öffne, erfüllt mich ein tiefer Frieden. Die gewaltige Bergwelt umringt mich wie ein Heer stiller Riesen, die in stummer Wachsamkeit verharren – geduldig und beständig, als ob sie mich in ihrer unerschütterlichen Gelassenheit sanft umarmen. Ein traumhafter Rundblick über die zahllosen Gipfel der Lungauer Bergwelt, die majestätische Ankogelgruppe bis hin zum Großglockner, die Gipfel Obertauerns, den Lungau, den Dachstein und die imposanten Kalkspitzen eröffnet sich in seiner ganzen Pracht. Für einen Moment scheint die Welt den Atem anzuhalten, als würde sie meine Freude und meinen Stolz mit mir teilen.

Grosses_Gurpitscheck_Panorama
Die Landschaft der Schladminger Tauern ist eine eindrucksvolle Mischung aus schroffen Felsen, sanften Almwiesen und glitzernden Bergseen, die sich harmonisch ineinanderfügen.
Grosses_Gurpitscheck_Landschaft
Die Schladminger Tauern sind bekannt für ihre beeindruckende Vielfalt an Bergseen und Wasserfällen, deren unzählige Wasserläufe und Karseen, gespeist von schmelzenden Schneefeldern, der Region einen fast mystischen Charakter verleihen.
Grosses_Gurpitscheck_Wanderung_Niedere_Tauern
Jeder Schritt eröffnet ein neues Stück unvergesslichen Berggenusses.
Grosses_Gurpitscheck_Aussicht
Mit seinen 2.526 Metern ist der Große Gurpitscheck ein verstecktes Juwel, ideal für Wanderer, die abseits der bekannten Routen die Ruhe und unberührte Natur genießen möchten.

Das innere Machtwort

Da der Rückweg vom Großen Gurpitscheck genau dem Anstieg folgt, gelange ich schließlich wieder zur Scharte oberhalb des Twenger Almsees. Hier halte ich für einen Moment inne. Gedanken schießen mir durch den Kopf: „Soll ich lieber absteigen oder noch einen zweiten Gipfel anhängen?“ Es ist bereits später, als geplant und ich fühle mich hin- und hergerissen. Mein Ehrgeiz meldet sich leise, aber bestimmt: „Wann werde ich schon wieder hier sein?“ Meine Antwort lautet: „Das weiß ich nicht.“ Doch ich kenne mich gut genug, um zu wissen, dass ich es bereuen würde, nicht noch weiter zu gehen. Außerdem bin ich viel zu neugierig, was der Ausblick von dieser Seite verspricht. Also fälle ich eine Entscheidung. Ich nehme die zusätzlichen Höhenmeter in Kauf und setze meinen Weg fort zur Gollingspitze, die von der Scharte aus über einen einfachen Wanderpfad in etwa 15 Minuten erreichbar ist.

Am höchsten Punkt der Gollingspitze angekommen, hat sich die Sonne zwar bereits verabschiedet, doch keine Sekunde dieses Abstechers bereue ich. Die Landschaft eröffnet sich hier aus einer neuen Perspektive, anders, aber nicht weniger atemberaubend. Ich bleibe nur kurz, denn die Müdigkeit macht sich bemerkbar, und so folge ich dem Weg hinunter zum Twenger Almsee. Von dort kenne ich den Pfad bereits.

Grosses_Gurpitscheck_Twenger_Almsee
Die Gollitschspitze erhebt sich prächtig über dem Twenger Almsee und bietet eine märchenhafte Kulisse.

Mit Kindesaugen

Erschöpft, aber überglücklich, lasse ich den Tag Revue passieren. Es war einer dieser besonderen Tage, an denen alles besser läuft als erwartet. Die Natur hat mich mit ihrer überwältigenden Schönheit erneut umfangen und mir gezeigt, wie leicht es ihr fällt, mich immer wieder aufs Neue zu begeistern. Egal, wie viele Gipfel ich erklommen habe, das Staunen bleibt unvergänglich. Man kann sich an diesen Anblicken nicht sattsehen – im Gegenteil, mit jedem Aufstieg wächst die Anziehungskraft. Es ist wie ein nie endendes Staunen, als ob man die Welt immer wieder mit den Augen eines Kindes entdeckt – neugierig, voller Wunder, und jedes Mal auf eine neue, unerwartete Weise berührt.

Ausblick auf Schladminger Tauern
Beim Abstieg entfaltet sich die fantastische Aussicht in all ihrer prachtvollen Schönheit ein letztes Mal vor meinen Augen.

Fazit zur Tour: Wenn du Lust auf eine ruhige Bergtour abseits der Massen hast, ist das Große Gurpitscheck genau das Richtige für dich. Der Weg führt dich durch eine abwechslungsreiche Landschaft. Du wanderst an blühenden Wiesen entlang, durch schattige Wälder und immer wieder eröffnen sich dir herrliche Ausblicke auf glitzernde Seen, die wie kleine Oasen inmitten der Bergwelt funkeln. Ein Sprung in den erfrischenden Twenger Almsee bietet eine willkommene Abkühlung an warmen Tagen.
Je näher du dem Gipfel kommst, desto ruhiger wird es, sodass du die friedliche Stille der Berge in vollen Zügen genießen kannst. Kurz vor dem Ziel zeigt das Große Gurpitscheck noch einmal seine felsige Seite: Einige spannende Felspassagen bringen zusätzliche Abwechslung und lassen dein Herz höher schlagen. Und das Beste: Die Tour ist sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, sodass du stressfrei in die Natur eintauchen kannst. Am Ende der Wanderung wartet die gemütliche Twengeralm mit einer zünftigen Brotzeit auf dich – der perfekte Abschluss für einen erlebnisreichen Tag in den Bergen.

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