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Gipfelglück im Doppelpack: Aufstieg zu den Gipfeln der Steirischen und Lungauer Kalkspitze

Eingebettet in das satte Grün der steirischen Ursprungalm, wo das verwitterte Holz alter Schindeln Geschichten vergangener Tage flüstert und der Gebirgsbach sanft plätschernd die Hütten umarmt, entfaltet sich eine Almidylle, die direkt aus einer anderen Zeit zu stammen scheint. Hier, wo mausgraue Bergspitzen nach den Wolken greifen und die Natur in ihrer reinsten Form erlebbar wird, fühlt man sich sofort geborgen und im Einklang mit der Welt. 

In Heidis Alpentraum

Diese malerische Kulisse diente nicht ohne Grund als Drehort für eine Heidi-Verfilmung. Im Jahr 1989 schlüpfte Juliette Caton in „Courage Mountain“ in die Rolle des liebenswerten Waisenmädchens aus Frankfurt, während der damals 25-jährige Charlie Sheen den frechen „Geißenpeter“ verkörperte. Heute tauche ich selbst in diese zauberhafte Umgebung ein. Während meiner Wanderung möchte ich die Schönheit und die stille Ruhe dieses einzigartigen Ortes hautnah erleben – ein Ort, an dem die Magie von Heidis Welt in jeder Blume und jedem Berggipfel zum Leben erwacht.

BergSteirische Kalkspitze und Lungauer Kalkspitze
2459 Meter und 2471 Meter
Schladming, Steiermark
WandernSchwierigkeit: schwerer Bergweg
Dauer: 5,5 Stunden
Länge: 11 Kilometer
Aufstieg/Abstieg: 950 Höhenmeter
Höhenprofil & Karte
HütteUrsprungalm
Giglachsee-Hütte
Oberhütte am See
AnfahrtGebührenpflichtiger Parkplatz bei der Ursprungalm
Zum Google Maps Routenplaner
Informationen zur Mautstraße
Ursprungalm_Schladming_Huetten
Die Ursprungalm ist umgeben von zahlreichen Bergseen und idyllischen Almen, die zum Erkunden und Verweilen einladen.
Ursprungalm_Schladming
Von der Ursprungalm aus gibt es viele Wanderwege für verschiedene Schwierigkeitsstufen. Dazu gehört ein leichter Rundweg um die Giglachseen, der auch für Familien geeignet ist, sowie anspruchsvollere Strecken, wie der Aufstieg zu den beiden Kalkspitzen.

Erinnerungen blühen auf

Von der Ursprungalm führt mich der Weg zunächst entlang des Ursprungalm-Rundweges. Am westlichen Ende des Kars beginnt der Wandersteig in Richtung „Kranzlhöhe“ und „Brotrinnl“. Es ist ein schwüler Sommertag und trotz der schattenspendenden Bäume fühlt sich die Luft dicht und schwer an. Schnell bilden sich die ersten Schweißperlen auf meiner Haut und ich spüre, wie langsam einige Tropfen mein Gesicht und meinen Nacken hinablaufen. Ich bemühe mich, einen gleichmäßigen Rhythmus zu finden, um mit jedem Schritt an Höhe zu gewinnen. Der sogenannte „Almrausch“ blüht in kräftigem Pink und setzt farbliche Akzente in die sattgrüne Wiesenfläche. Nach einigen steilen Kehren erreiche ich schließlich das sogenannte „Brotrinnl“, eine Scharte zwischen Oberhüttensee und Ursprungalm.

Mein Herz schlägt wie Trommelschläge, hart und schnell, während sich meine Atmung wie ein hektisches Flattern in der Brust anfühlt. Ich erinnere mich an die letzten Jahre, als ich schon einmal hier stand und den steilen Weg von der Oberhütte, unweit des Sees, hinauf zum Brotrinnl erklomm. Das Brennen und Ziehen in meinen Muskeln ist mir noch gut in Erinnerung. Damals war es der letzte anstrengende Anstieg, bevor wir zur Ursprungalm abstiegen. Heute nehme ich die Tour in entgegengesetzter Richtung in Angriff. Und diesmal habe ich mir vorgenommen, auch die beiden Kalkspitz-Gipfel zu erklimmen, die ich mir damals noch nicht zutraute.

Mein Blick schweift hinunter zur Oberhütte, die idyllisch nahe des Ufers des türkisblauen Bergsees liegt. Von hier oben kann ich die glitzernde Wasseroberfläche sehen, die von saftig-grünen Berghängen eingerahmt wird. Der Hochgebirgssee liegt eingebettet zwischen den prächtigen Radstädter Tauern im Westen und den beeindruckenden Schladminger Tauern im Osten. Tausende Lichtpunkte tanzen auf der Oberfläche des Sees und verleihen ihm ein magisches Funkeln, das die Szenerie wie aus einem Märchen erscheinen lässt.

Kalkspitzen_Krankzl_Bergtour
Als ich das Brotrinnl erreichte, eröffnet sich mir ein wunderschöner Blick auf den Dachstein, der imposant in der Ferne aufragt.
Bergtour_Steirische_Kalkspitze_Oberhuettensee
Zu meinen Füßen liegt der leuchtend türkisblaue Oberhüttensee, eingebettet in eine Landschaft, die aussieht, als wäre sie mit einem satten grünen Pinselstrich bemalt. Eine alternative Wegführung führt vom Brotrinnl über einen steilen Steig hinunter zum See, von wo aus man wieder zur Ahkarscharte aufsteigen kann.

Mit scharfem Blick und kühlem Kopf

Von hier an beginnt der felsige Teil der Tour. Der Übergang vom Brotrinnl zum Meregg, einem Grasrücken, ist die anspruchsvollste Passage der gesamten Route. Unter mir stürzt die Felswand steil in die Tiefe, der Fels breitet sich aus wie die zerfurchte steingraue Haut eines Elefanten. Doch meine Erfahrung hilft mir, in den schroffen und zerklüfteten Felsen dennoch eine klare und elegante Struktur zu erkennen. Es erstaunt mich, wie mühelos ich den Weg finde. Jede Handbewegung, jeder Tritt fühlt sich natürlich und richtig an, als würde ich einem roten Faden durch ein kunstvolles Labyrinth aus Kalkgestein und Dolomit folgen. 

Das schönste Gefühl in diesen Momenten ist die Ruhe in meinem Kopf – als hätte jemand die „Pause“-Taste gedrückt. Die Welt um mich herum verblasst zu einem sanften Hintergrundrauschen. Meine Fingerspitzen tasten nach den kleinsten Rissen und Vorsprüngen im Fels. Jeder sichere Griff erfüllt mich mit tiefster Zufriedenheit und stärkt mein Vertrauen in meine eigene Kraft und Fähigkeiten. In diesem Augenblick bin ich mir jedes Atemzugs und jedes Muskelzuckens bewusst. Körper und Geist arbeiten im perfekten Einklang – instinktiv und mühelos. Konzentriert überwinde ich das schmale, brüchige Band und quere über Fels und Geröll zu einem grasbewachsenen Pfad hinüber. Schließlich erreiche ich wieder einen einfacheren Wanderweg, der mich weiter zur Steirischen Kalkspitze führt.

Bergtour_Steirische_Kalkspitzen
Die Kalkspitzen sind besonders wegen ihrer schroffen, markanten Felsformationen, die sich deutlich von den umliegenden, sanfteren Berglandschaften der Schladminger Tauern abheben. Sie bestehen aus Kalkgestein, was ihnen nicht nur ihren Namen, sondern auch ihre beeindruckend helle, fast leuchtende Erscheinung verleiht.

Ungleiche Zwillinge

Mittlerweile ragen die beiden Gipfel der Kalkspitzen spektakulär vor mir auf. Die graue Felslandschaft gleicht der zerklüfteten Oberfläche eines fremden Planeten – rau und unberührt von menschlicher Hand. Der brüchige, aber gut begehbare Westgrat führt zum höchsten Punkt der Steirischen Kalkspitze. Auch der Abstieg von der Steirischen Kalkspitze ist anspruchsvoll und reizvoll, deutlich exponierter als der Wanderpfad zur Lungauer Kalkspitze. Obwohl die Steirische Kalkspitze etwas niedriger ist als ihr Lungauer Zwilling, wirkt sie insgesamt markanter und felsiger. 

Vorsichtig ziehe ich mich nach oben, meine Handflächen fest auf den rauen, kühlen Fels gepresst. Das Gestein ist von Rissen und kleinen Unebenheiten durchzogen, dazwischen finden sich flauschige Moospolster, die sich wie natürlicher Samt anfühlen. Der Gipfel der Steirischen Kalkspitze bietet eine eindrucksvolle Rundumsicht. In der Ferne erhebt sich das Dachsteinmassiv, dessen drei Zacken – Torstein, Mitterspitz und Hoher Dachstein – wie steinerne Zähne in den Himmel ragen. Der Hochgolling, der höchste Gipfel der Niederen Tauern, ragt anmutig über die umliegenden Berge hinaus. Direkt vor mir thront die Kampspitze, die als Wächterin über die Giglachseen wacht, welche wie dunkelblaue Perlen zwischen den grünen Wiesen und Bergen der Schladminger Tauern glitzern.

Die Giglachseen wechseln je nach Lichtverhältnis und Wetterlage ihre Farben von tiefem Blau bis hin zu leuchtendem Türkis, was ihnen eine fast mystische Atmosphäre verleiht.
Lungauer Steirische Kalkspitze Bergtour
Touristisch ein wenig im Schatten des Dachsteins halten die Schladminger Tauern einiges an Naturschönheiten bereit.

Irgendwann ist heute

Ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit und des Stolzes durchströmt mich – ich habe es geschafft. Die Erinnerung an das letzte Mal verblasst allmählich, ersetzt durch die Freude und den Triumph, endlich hier oben zu stehen. Ein leises Lächeln zeichnet sich auf meinen Lippen ab. Während ich hier stehe und die atemberaubende Aussicht genieße, wird mir bewusst, dass dies mehr als nur ein Gipfelerfolg ist. Nach all den Jahren, in denen ich über mich hinausgewachsen bin und Ziele erreicht habe, die einst unerreichbar schienen, fühle ich mich kraftvoll, lebendig und mutig.

„Irgendwann stehst du hier oben“, habe ich mir damals gesagt und wehmütig zum Gipfel hinaufgeblickt. Heute ist dieses irgendwann. Während ich den überwältigenden Anblick dieser malerischen Naturkulisse unter meinen Füßen genieße, klopfe ich mir gedanklich auf die Schulter und weiß, dass ich meine Grenzen immer wieder ein Stückchen weiter verschieben kann. In diesem Augenblick wird mir klar, dass Irgendwann nicht in einer fernen, ungewissen Zukunft liegt, sondern im Hier und Jetzt. Es ist das Ergebnis meiner Anstrengungen und meines unerschütterlichen Glaubens an mich selbst. Jeder Schritt, jede Herausforderung hat mich geformt und befähigt, meine Grenzen zu überwinden. Denn wann irgendwann ist, das bestimme nur ich allein.

Wollige Weggefährten

Sanft stupst mich eine weiche Nase an. Neugierige, dunkle Augen blicken mich direkt an, als wollten sie sagen: „Du hast doch bestimmt etwas für mich, oder?“ Das weiße Wollknäuel war meinem Rascheln im Rucksack gefolgt, in der Hoffnung, etwas Essbares zu ergattern. Die restliche Schafherde steht etwas abseits und beobachtet erstaunt den mutigen Vorstoß ihres neugierigen Kameraden. Nach einem felsigen und alpinen Abstieg entlang des Südgrates von der Steirischen Kalkspitze habe ich nun die Ahkarscharte erreicht. Von hier aus führt ein Weg eine gute halbe Stunde lang über einen geraden Rücken unschwierig auf den Gipfel der Lungauer Kalkspitze, die im Bundesland Salzburg liegt.

Ein leises Blöken verrät, dass auch hier oben eine weitere Schafherde das saftige Gras der Berghänge genießt. Ein simples, windschiefes Holzkreuz schmückt den höchsten Punkt der Lungauer Kalkspitze. Von hier aus bietet sich eine beeindruckende Rundumsicht auf die umliegenden Berge und Täler. Im Norden erstrecken sich die schroffen Gipfel der Niederen Tauern, während im Süden die sanften Hügel der Nockberge zu sehen sind. Nach einer kurzen Rast mache ich mich bereit für den Abstieg über die Ahkarscharte und den Znachsattel in Richtung Giglachseen.

Ahkarscharte
Auf der Ahkarscharte begegnet mir eine neugierige Schafherde, die hoffnungsvoll auf einen Leckerbissen wartet. Hier laufen die beiden Aufstiegswege zu den Gipfeln der Steirischen und Lungauer Kalkspitze zusammen und bieten Wanderern die Wahl zwischen zwei grandiosen Gipfeltouren.
Steirische Kalkspitze
In der stillen Weite spüre ich eine ruhige Zufriedenheit, als wäre ich für einen Moment eins mit der Natur und all ihren Wundern.
Lungauer_Kalkspitze_Berge
Die Lungauer Kalkspitze bietet einen pittoresken Panoramablick auf die umliegenden Bergketten: Im Westen erheben sich die Hohen Tauern und der majestätische Hochkönig, während im Norden der imposante Dachstein dominiert. Im Osten erstreckt sich der Hochgolling, und im Süden eröffnen sich die sanften Höhenzüge der Nockberge.

Silberfieber und Nickelgruben

„Mit Apfelmus oder Preiselbeeren? Oder beides?“ „Mit beidem bitte.“ Schon beim Gedanken an den flaumigen Kaiserschmarren läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Ich sitze auf der Terrasse der Giglachsee-Hütte und schaue auf die tiefblauen Giglachseen, über denen jemand seine letzten Runden auf dem SUP-Board dreht. Die meisten Tagesbesucher sind bereits abgestiegen, wodurch eine angenehme Ruhe eingekehrt ist. Auf dem Weg hierher, etwa eine Stunde Gehzeit von der Ahkarscharte entfernt, konnte ich immer wieder den Anblick der sensationellen Seenlandschaft genießen.

Die Giglachseen, bestehend aus dem Oberen und Unteren Giglachsee, befinden sich malerisch auf einer Höhe von etwa 1.930 Metern. In der Umgebung dieser Seen gibt es eine reiche Geschichte des Bergbaus, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Der Abbau konzentrierte sich hauptsächlich auf Eisen, Kupfer und Silber und trug maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region bei. Im 16. Jahrhundert waren in Schladming über 1.500 Bergleute beschäftigt, doch durch religiöse Konflikte und die geringe Ausbeute an Silber, Nickel und Kobalt kam der Bergbau bald zum Erliegen. Heutzutage zeugen die Ruinen der Unterkünfte und die teils eingestürzten Stollen am Freying und im Vetternkar von den harten Arbeitsbedingungen der Bergleute. 

Im Spiegel der Zeit

Ich genieße jeden Bissen des herrlichen Kaiserschmarrens, bevor ich meinen Rucksack ein letztes Mal für heute auf den Rücken schwinge. Noch rund 40 Gehminuten sind es von der Giglachsee-Hütte zurück über den Preuneggsattel zum Ausgangspunkt, der Ursprungalm. Während des letzten Abstiegs gehen mir noch viele Gedanken durch den Kopf.

Als ich die letzten Meter über die Forststraße marschiere, umfängt mich ein tiefes Gefühl der Glückseligkeit. Die Erinnerungen an meine erste Tour hier, an die Herausforderungen und die damaligen Anstrengungen, sind plötzlich wieder ganz gegenwärtig. Heute, mit mehr Erfahrung und Kraft, konnte ich die Tour noch bewusster und intensiver erleben. Die Strecke hat sich selbstverständlich nicht verändert, aber ich selbst schon. Diese Tour hat mir gezeigt, dass Entwicklung ein fortlaufender Prozess ist und jeder Schritt, den wir machen, uns zu der Person formt, die wir heute sind. Manchmal müssen wir denselben Weg noch einmal gehen, um zu erkennen, wie weit wir wirklich gekommen sind. Und vielleicht ist es gerade diese Erkenntnis, die uns auf den nächsten Gipfel führt.

Giglachseen
Die Giglachseen, auf 1.900 Metern Höhe gelegen, sind Überbleibsel der letzten Eiszeit und speisen sich aus unterirdischen Quellen, was ihnen ihre außergewöhnliche Klarheit verleiht.

Fazit zur Tour: Es gibt Touren, bei denen einfach alles stimmt – und diese Rundtour mit der Besteigung der beiden Kalkspitzen gehört definitiv dazu. Die eindrucksvolle Kombination aus steilen Felswänden und schimmernden Bergseen sorgt für unvergessliche Augenblicke. Zwischen entspannten Gehpassagen bietet die Tour auch anspruchsvolle Klettereinlagen, die definitiv kein Spaziergang sind und den geübten Bergsteiger fordern. Doch nicht nur das Abenteuer, auch der kulinarische Genuss kommt nicht zu kurz – sei es in einer der gemütlichen Hütten der Ursprungalm oder der einladenden Giglachsee-Hütte. Einziger kleiner Wermutstropfen ist die hochpreisige Maut zur Ursprungalm, die aufgrund des großen Andrangs eingeführt wurde. Dennoch: Jeder Cent dieser Investition lohnt sich, denn diese Tour hat mich abermals tief beeindruckt.

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