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Großes Wiesbachhorn via Kaindlgrat: Von den türkisfarbenen Stauseen ins Hochgebirge

Die Kapruner Stauseen schimmern in den schönsten Türkistönen, während ringsum die Schneeflocken in der Sonne glitzern. Als ich die Zacken meiner Steigeisen in den Schnee grabe und den Gipfelgrat entlang stapfe, türmen sich vor meinen Augen gigantische Felslandschaften auf. Obgleich am Gipfel Väterchen Frost sein Unwesen treibt, herrscht unten im Tal hochsommerliches Wetter. Sattes Grün wandelt sich mit zunehmender Höhe in schroffes Gestein und dieses wiederum in eine permanente Schneehaube. Ich fühle mich, als stünde ich zwischen den Welten. Zwischen Sommer und Winter, Tagestouristen und Alpinisten, der Zivilisation und der Wildnis der Alpen. 

BergGroßes Wiesbachhorn
3564 m
Kaprun, Salzburg
WandernSchwierigkeit: Hochtour (PD) mit Kletterstellen im I. bis II. Schwierigkeitsgrad bzw. versicherte Kletterei im Kamin (B)
Dauer: 8,5 bis 9 Stunden
Länge: 11,4 Kilometer
Aufstieg/Abstieg: 1530 Höhenmeter
Höhenprofil & Karte
HütteHeinrich-Schwaiger-Haus
AnfahrtParkgarage Stauseen Kaprun
Zum Google Maps Routenplaner

Unter den Top 10

Das Große Wiesbachhorn schafft es mit seinen 3564 Metern Höhe ganz knapp unter die zehn höchsten Berge Österreichs. Dennoch ist für die Tour zu diesem Paradegipfel – und das ist eher ungewöhnlich – üblicherweise keine komplette Hochtourenausrüstung notwendig. Steigeisen und Pickel können je nach Bedingungen dennoch erforderlich sein. Die Tour startet in der Regel am Parkplatz Kesselfall, wo du dir ein Ticket für die Berg- und Talfahrt kaufst. Dein Auto kannst du in dem großen kostenfreien Parkhaus abstellen. Zunächst geht es mit dem Bus zur Talstation des Lärchwand Schrägaufzuges. Im Anschluss an die Fahrt mit Europas größtem offenen Schrägaufzug folgt eine zweite Busfahrt entlang des Stausees „Wasserfallboden“ zum Ufer des Speichersees „Moserboden“. Insgesamt solltest du etwa 45 Minuten für die Auffahrt einkalkulieren.

Mein Tipp: Für Bergsteiger gibt es von Juni bis September einen frühen Bergsteigerbus. Alle Infos zu den Berg- und Talfahrten, den Öffnungszeiten sowie den Preisen findest du auf dieser Website

Moserboden_Kaprun
An den Kapruner Stauseen grünt und blüht es, während im Hintergrund der Schnee an den steilen Bergflanken haftet.
Stausee_Wasserfallboden
Der Stausee Wasserfallboden wurde bereits 1952 in Betrieb genommen. Er dient zur Versorgung des Kraftwerks Kaprun-Hauptstufe.
Grosses_Wiesbachhorn_Moserboden_Wasserfallboden
Zwischen den beiden Stauseen Wasserfallboden und Moserboden erstreckt sich eine hochalpine Landschaft. Die beeindruckenden Stauanlagen sind mittlerweile eines der Top-Ausflugsziele des Salzburgerlandes.
Grosses_Wiesbachhorn_Moserboden
Die Stauseen betten sich elegant in die Bergwelt ein.

Gegensätze ziehen sich an?

112 Meter Beton, die sich in einer sanften Kurve winden, halten die gewaltigen Wassermassen in Zaum. Der Blick nach unten flößt Respekt ein und lässt meinen Puls ein bisschen schneller schlagen. Zu meiner Linken schießt die graue Mauer in die Tiefe, zu meiner Rechten funkelt der türkisblaue Stausee um die Wette. Der Kontrast könnte nicht größer sein. Wasserkraft und Beton liefern sich ein Kräfteduell. Doch trotz aller Gegensätze zeigt sich hier ein spektakuläres Zusammenspiel aus Technik und Natur. Fasziniert blicke ich über den Rand der Staumauer „Drossensperre“ und bin dennoch heilfroh, festen Boden unter den Füßen zu haben. Am Ende der Mauer beginnt auch schon der beschilderte Aufstieg zum Heinrich-Schwaiger-Haus, wo wir die Nacht verbringen werden.

Zunächst noch recht moderat, kullern nach einiger Zeit bereits die ersten Schweißperlen. Der Hang wird zunehmend steiler und der Weg schlängelt sich in zahllosen Serpentinen hinauf. Der vollgepackte Rucksack hängt schwer an meinen Schultern, doch zur Ablenkung gibt es immer wieder herrliche Ausblicke auf die Stauseen und die umliegenden Berggipfel. Einfach mal kurz stehenbleiben und genießen – so viel Zeit muss sein! Mittlerweile rückt der Trubel in immer weitere Ferne, während ich der stillen Bergwelt Schritt für Schritt näherkomme.

Im letzten Teilstück wird das Gelände schließlich anspruchsvoller, der Untergrund mürb und plattig. Zur Sicherung sind hier streckenweise Drahtseile gespannt. Unweit der Hütte tauchen die ersten Schneereste auf, die ein umso konzentrierteres Gehen erfordern. Nach rund zwei Stunden erreichen wir schließlich das Heinrich-Schwaiger-Haus. Dort verbringen wir eine Nacht, um am nächsten Tag früh zum Gipfel aufbrechen zu können.

Wiesbachhorn_Heinrich_Schwaiger_Haus
Das Heinrich-Schwaiger-Haus erwartet uns in seinem Winterkleid.
Grosses_Wiesbachhorn_Sonnenuntergang
Wer eine Nacht im Heinrich-Schwaiger-Haus verbringt, kommt in den Genuss dieses himmlischen Sonnenunterganges.

Durch den Kamin

Getreu dem Motto „Zuerst die Pflicht, dann das Vergnügen“ starten wir am darauffolgenden Morgen mit der anspruchsvollsten Passage des Tages. Nur wenige Meter von der Hütte entfernt, muss eine Felsstufe überwunden werden. Als ich direkt vor der Schlüsselstelle stehe, überfällt mich ein wenig die Aufregung. „Wahrscheinlich ist alles halb so wild“, versuche ich die Nervosität im Keim zu ersticken. Schließlich bin ich an der Reihe und begebe mich in die steile Kaminrinne. Intuitiv fasse ich nach den richtigen Griffen. Auch meine Füße finden ein gutes Plätzchen zum Stabilisieren. Zusätzlich gibt es Stahlseile, an denen ich mich gut festhalten kann. Die Bewegungen folgen einer natürlichen Abfolge – beinahe so, als hätte ich eine Landkarte vor Augen. Die Felsstruktur ist gespickt mit guten Tritten und Griffen. Ich fokussiere mich völlig auf den nächsten Zug, navigiere meinen Körper durch die enge Rinne und klettere flüssig bis zum Ausstieg.

Doch noch kann ich nicht ganz aufatmen. Da recht viel Schnee liegt, ist der weitere Weg zum Unteren Fochezkopf ein Spießrutenlauf. Das plattige, zerblätterte Schrofen- und Schuttgelände ist nass und somit durchaus heikel. Schneereste müssen geschickt umgangen werden. Ich bündle all meine Aufmerksamkeit auf den Untergrund. Hochkonzentriert achte ich auf jeden Tritt, bis ich schließlich sicher den Unteren Fochezkopf erreiche. Ich stoße einen Seufzer der Erleichterung aus. Die Anspannung lässt von mir ab und das Lächeln kehrt zurück in mein Gesicht. Was für eine Etappe!

Grosses_Wiesbachhorn_Kaindlgrat
Von Fels zu Schnee: Vom Unteren Fochezkopf geht es nunmehr mit Steigeisen an den Füßen weiter in Richtung Gipfel.
Grosses_Wiesbachhorn_Grat_am_Morgen
Im Glitzern der ersten Sonnenstrahlen marschiere ich über den verschneiten Grat.

Der ehemalige Bianco-Grat der Ostalpen

Schnee im Spätsommer ist immer wieder etwas Außergewöhnliches. Am Unteren Fochezkopf angelangt, blicken wir auf ein weiß gekleidetes Wunderland. Die Sonne kämpft sich gerade über die höchsten Bergspitzen. Riesige Felsbrocken sind von einer Schneeglasur überzogen. Zeit, die Steigeisen anzulegen. Auf spitzen Zacken geht es sodann über einen Gratrücken weiter in Richtung des Oberen Fochezkopfes. 

Wie eine Pyramide ragt das Große Wiesbachhorn in den Himmel. Doch anstatt von feinem Sand sind wir von Schneeflocken umgeben. Ab nun beginnt der berühmte Kaindlgrat, welcher je nach Jahreszeit und Bedingungen mit Schnee und Firn überzogen sein kann. In unserem Fall, es ist Anfang September, ist er großteils eingeschneit. Früher galt der Kaindgrat sogar als der „Bianco-Grat der Ostalpen“, doch aufgrund des starken Gletscherrückganges ist diese Bezeichnung heute nicht mehr zutreffend.

Das Panorama lässt nichtsdestotrotz keine Wünsche offen. Gigantische Felswände schlummern unter einer dicken Schneeschicht. Rasiermesserscharfe Grate lassen keine Zweifel an dem Anspruch, den die mächtigen Dreitausender an jene stellen, die sie bezwingen wollen. Hochnebel schlängelt sich durch die aalglatten Flanken. Den Gletscher, das Kaindlkees, überschreiten wir nur kurz, bevor wir auf den Südwestgrat und die Gipfelflanke zusteuern.

Auf den letzten Metern bietet uns das Wiesbachhorn noch einmal die Stirn. Bis zu 35 Grad steil ist die Gipfelflanke, die zum Objekt der Begierde führt. Ich lege all meine Kraft in jeden meiner Schritte. Die Zähne meiner Steigeisen beißen sich in den weichen Schnee und geben mir Halt. Die Fußabdrücke meiner Vorgänger weisen mir den Weg nach oben, bis ich endlich den Gipfelgrat erreiche. 

Grosses_Wiesbachhorn_Bergsteigen_Hochtour
Die Besteigung des Großen Wiesbachhorns verlangt Hochtourenerfahrung, Schwindelfreiheit und Trittsicherheit.
Hochtour_Grosses_Wiesbachhorn
Umgeben von eindrucksvollen Schneeriesen und dem Großglockner höchstpersönlich.
Grosses_Wiesbachhorn_Westgrat
Kurz vor dem Gipfelsturm hüpft das Herz vor Freude.

Wilde Schönheit

Was für eine Aussicht. Meine Erwartungen sind um ein gutes Stück übertroffen. Um mich herum lauter Schneeriesen und ein atemberaubender Tiefblick hinab zu den beiden türkisen Juwelen. Die Kombination aus Schnee, Fels und den Stauseen sucht ihresgleichen. Wie lange ich schon sprachlos dastehe, bemerke ich erst, als die nächsten Bergsteiger bereits nachrücken. Wie auf einem Laufsteg stolziere ich die letzten Meter zum Gipfelkreuz. Der Großglockner und der Großvenediger sind die ersten Berge, welche ich in der Ferne erkennen kann. Dazu gesellen sich der Hohe Tenn, der nur einen Steinwurf entfernt liegt, die Klockerin, die Bratschenköpfe, die Hohe Dock, die Hohe Riffl und nicht zu vergessen das gegenüberliegende Kitzsteinhorn. 

Hier oben im Hochgebirge ist es wie in einem Paralleluniversum. Umgeben von unbändiger Natur blickt man auf die mächtige Staumauer, welche ebendiese zu bezwingen versucht. Die spitzen Berggipfel ragen aus der dicken Schneedecke empor. Steile Flanken aus blankem Fels verleihen der Gebirgskette ihre markanten Gesichtszüge. Es wirkt, als könnte ich nach dem Himmel greifen. Zumindest scheint er recht nahe. Und nur mit einigen wenigen Wolken garniert. Inmitten dieser schon fast unwirklichen Landschaft bist du ganz weit weg. Die Freiheit ruft aus jedem Winkel. Das Abenteuer lockt hinter jedem Stein. Du kannst alles oder nichts tun. Denn Grenzen scheint es plötzlich nicht mehr zu geben.

Grosses_Wiesbachhorn_Glocknerblick
Im Hochgebirge vereinen sich Schnee, Eis und Fels, um die gewaltigen Kräfte der Natur zum Ausdruck zu bringen.
Grosses_Wiesbachhorn_Panoramablick
Wie ein Werk der Natur schmiegen sich die türkisblauen Stauseen an die imposanten Bergwände.
Grosses_Wiesbachhorn_am_Gipfel
Beeindruckende Grate, der tiefblaue Himmel und das überwältigende Gefühl grenzenloser Freiheit locken mich immer wieder in luftige Höhen.

Wie auf Wolken

Für den Bruchteil eines Augenblicks bin ich wie paralysiert. Die einzigartige Atmosphäre fesselt mich. Der Blick verharrt in der Ferne. Mein Herz wird luftig-leicht, ich fühle mich schwerelos und gleichzeitig prall gefüllt mit Eindrücken.

Der Gipfel des Wiesbachhorns wirkt wie ein Adlerhorst mit schauderhaft tiefen Abstürzen Richtung Osten bzw. Südosten. Um genau zu sein, hat das Große Wiesbachhorn mit 2418 Metern den größten Höhenunterschied zwischen Gipfel und Tal in den Ostalpen. Meine Gefühle tanzen wild. Stolz, Euphorie, pures Glück und Genugtuung wirbeln durcheinander. Doch wenn ich die Augen schließe, spüre ich vor allem eines: mich selbst. 

Fazit zur Tour: Auf den ersten Blick scheint es, als bäte das Wiesbachhorn ein schnelles Ticket auf einen der höchsten Gipfel Österreichs. Doch auch wenn es nicht mit einer klassischen Hochtour vergleichbar ist, so hat auch das Große Wiesbachhorn seine Tücken. Zum einen können die Verhältnisse sehr unterschiedlich sein – dies ist abhängig von den aktuellen Wetterbedingungen und dem Zeitpunkt der Begehung. Ob Steigeisen nötig sind oder das Kaindlkees Gletscherausrüstung fordert (was kaum der Fall ist), erfragt man am besten beim Hüttenteam. Die Fotos dieser Tour wurden Anfang September aufgenommen und Steigeisen waren damals unbedingt erforderlich. 
Ein weiterer Knackpunkt ist die Passage oberhalb des Heinrich-Schwaiger-Hauses. Insgesamt beträgt die Schwierigkeit ab der Hütte I bis II nach UIAA und ist wie erwähnt bei Vereisung oder Nässe nicht zu unterschätzen. Ich selbst habe am Tag meiner Begehung eine Frau gesehen, die hier absolut überfordert war und zum Glück gleich wieder zur Hütte abgestiegen ist. Die gesamte Tour ist selbstverständlich auch als Tagestour möglich – hierbei solltest du jedenfalls die Fahrzeiten der Busse bzw. des Aufzuges beachten. Die Hüttenübernachtung hat mir den Zeitdruck genommen und zudem einen herrlichen Sonnenuntergang beschert. Der Abstieg folgt entlang des Aufstiegsweges über das Heinrich-Schwaiger-Haus zurück zu den Kapruner Stauseen.

Die Zweitagestour im Überblick: 

  • Moserboden (2036 m) – Heinrich-Schwaiger-Haus (2802 m): 2:15 Stunden
  • Heinrich-Schwaiger-Haus – Wiesbachhorn (3564 m): 2:45 Stunden
  • Wiesbachhorn – Heinrich-Schwaiger-Haus: 2:15 Stunden
  • Heinrich-Schwaiger-Haus – Moserboden: 1:45 Sunden
Das große Wiesbachhorn bietet nicht nur eine überragende Fernsicht, sondern auch eine ungeheuer abwechslungsreiche Route zum Gipfel.
Grosses_Wiesbachhorn_Hochtour_Sommer
Die Abstiegsroute folgt üblicherweise dem Aufstiegsweg.
Grosses_Wiesbachhorn_Berge
Beim Blick zurück auf die wilden Grate und verschneiten Flanken läuft mir eine zarte, prickelnde Gänsehaut über den ganzen Körper.
Grosses_Wiesbachhorn_Aussicht_Stausee
Tiefblicke wie diese sorgen für ein Gefühl im Bauch als tanzten und taumelten hundert Schmetterlinge wild durcheinander.
Grosses_Wiesbachhorn_Bergtour_Panorama
Eine Aussicht wie im Bilderbuch.

Weitere Tipps für die Kapruner Stauseen

Neben der Besteigung des Wiesbachhorns gibt es rund um die Kapruner Stauseen noch weitere Highlights, die du mit der Bergtour verbinden kannst.

  • Der Kräuterlehrpfad führt vom Bergrestaurant Mooserboden zur urigen Fürthermoaralm und dauert etwa 45 Minuten (eine Strecke). Für die Rückfahrt kann der Bus genutzt werden.
  • In der Klettersteigarena Höhenburg erwarten dich insgesamt drei Klettersteige mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden:
    • Limberg-Zwerg (50 HM, B/C)
    • Drossen-Hex (100 HM, E)
    • Mooser-Mandl (110 HM, C/D)
  • Klettersteig MOBO 107 (90 HM, B mit B/C-Variante): Wenn du es noch abenteuerlicher magst, kannst du den 240 Meter langen Klettersteig direkt auf der Staumauer begehen. Über einen kleinen Flying Fox gelangt man zum Einstieg des Staumauerklettersteigs. 
  • Teilnahme an einer Staumauerführung, bei der man das Innenleben des Bauwerks kennenlernen kann.
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