Er ist der Berg der Berge. Der König der Ostalpen. Ein mächtiger Herrscher, der seine Betrachter in einen Höhenrausch versetzt. Ein Objekt der Begierde, welches das Blut jedes Alpinisten in Wallung bringt: der Großglockner.
Die heutige Skitour führt uns mitten in sein Königreich. Obwohl wir den höchsten Berg Österreichs nur aus der Ferne bestaunen, kommen wir ihm doch so nahe wie nie zuvor. Es ist eine Begegnung, die unter die Haut geht. Eine Faszination, die jede Zelle meines Körpers erfasst.
Berg | Figerhorn 2743 Meter Kals am Großglockner, Tirol |
Skitour | mittelschwere Skitour Dauer: 3,5 Stunden Länge: 6,2 Kilometer Aufstieg/Abstieg: 870 Höhenmeter Hangrichtung: S, SO, O Höhenprofil & Karte |
Hütte | Lucknerhaus (in der Nähe des Parkplatzes) |
Anfahrt | Parkplatz zwei Straßenkehren unterhalb des Lucknerhauses Zum Google Maps Routenplaner |
Inhaltsverzeichnis
Audienz beim König
Das Figerhorn ist an diesem Tag unsere Eintrittskarte in die Welt des Großglockners. Eigentlich ist es inmitten der Giganten ein untergeordneter Gipfel. Doch weil der Großglockner von seinem Gipfel zum Greifen nahe scheint, ist es zu einem beliebten Tourenziel geworden. Von der Kalser Glocknerstraße starten wir über einen Forstweg – ein gemütliches Eingehen ganz nach meinem Geschmack! Nach etwa zwanzig Minuten erreichen wir die Waldgrenze und steuern auf die Fläche der sogenannten „Greiwiesen“ zu.
In angenehmer Steigung führt der Weg über sanfte Kuppen, Muldengelände und weitläufige Hänge in nordwestlicher Richtung auf den Gipfelhang zu. Obwohl heute starker Wind bläst, merken wir nicht viel davon. Die Greiwiesen wirken wie ein natürlicher Schutzschild und schirmen uns von den stürmischen Böen ab. Ich bin heilfroh darüber und genieße die herrliche Umgebung. Die Schobergruppe zeigt sich in ihrer ganzen Pracht. Ein beeindruckendes Massiv aus Dreitausendern, die wie eine Schlossmauer ihr Herrschaftsgebiet begrenzen. Glödis, Hochschober, Roter Knopf und Böses Weibl sind nur einige der markanten Felstürme dieser Gebirgskette.
Schwer wie Blei
Plötzlich fühlen sich meine Beine ungewohnt schwer an. Die Skitour vom Vortag ist wohl doch nicht spurlos an mir vorbeigegangen. Während sich mein Höhenmeter-Konto füllt, werden die Muskeln immer müder. Beschwerlich ziehe ich meine Beine vor und zurück. Die Füße scheinen fast am Boden zu kleben. Das versetzt der Motivation einen leichten Dämpfer. Trotzdem versuche ich, am Ball zu bleiben und so selten wie nötig anzuhalten. Der Schlusshang des Figerhorns ist nicht mehr fern. Ich reiße mich am Riemen und kratze meine Energiereserven zusammen. Schließlich erreiche ich – etwas aus der Puste, aber zufrieden – den Schlusshang.
Ab hier beginnt eigentlich erst der schwierigste Teil der Tour. Ich halte kurz inne und verfolge das Treiben im bis zu 35 Grad geneigten Südhang des Figerhorns. Manch einem Tourengeher sehe ich sogar aus der Ferne an, wie er sich die Zähne an dem sulzigen Schnee ausbeißt. „Dann will ich mal mein Glück versuchen“, sporne ich mich selbst an. Wie sagt man so schön: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“ Zunächst ziehen sich die Spitzkehren ganz gemächlich Kurve um Kurve nach oben. Immer mit einem längeren geraden Wegstück zwischen den Kehren, sodass mein Puls wieder etwas ruhigere Töne anschlagen kann.
Wir halten uns etwas unterhalb und entlang des Grates. Zu meiner Überraschung komme ich wirklich gut zurecht. Eine solide Kehre nach der nächsten gelangt das Gipfelkreuz in Reichweite. Übung macht tatsächlich den Meister. Ich klopfe mir gedanklich auf die Schulter und sehe mich schon fast am Gipfel. Und dann passiert es doch. Zu früh gefreut!
Gewusst, wie!
Wie ein Käfer liege ich hilflos am Boden. Mit dem Bauch im Schnee, die Skier überkreuzt. Die Stöcke irgendwo über meinem Kopf. Es geht weder vor noch zurück. Und nach unten will ich schon gar nicht rutschen. Eigentlich weiß ich, dass ich jetzt Ruhe bewahren sollte. Aber: Pustekuchen! Entgegen allen guten Vorsätzen werde ich hektisch und nervös. Will mich so schnell wie möglich aus dieser misslichen Lage befreien.
Ich weiß, dass der Sommerweg ganz nahe sein müsste. Zumindest habe ich davon gelesen. Es gelingt mir, die Bindung zu öffnen und meine Füße aus der verdrehten Position zu erlösen. Erleichterung macht sich breit. Die Anspannung fällt in Sekundenschnelle ab. Da es nun zu Fuß weitergeht, muss ich die Skier seitlich am Rucksack befestigen. Einige Meter stapfe ich durch den tiefen Schnee, bevor ich den Wanderweg erreiche. Je nach Witterung kann dieser bereits im Winter teilweise schneefrei sein. Das Glück ist heute auf meiner Seite. Problemlos bestreite ich das restliche Wegstück, welches über den Südwestgrat und einen breiten Rücken geradewegs zum Gipfelkreuz führt. Am Gipfel fallen wir uns in die Arme. Freude, Stolz und Glück mischen sich zu einem Gefühlscocktail.
Im Reich der Riesen
Am Gipfel des Figerhorns stehe ich Auge in Auge mit dem Wächter des Tauernmassivs. Der Großglockner scheint mir die Hand zu reichen, während es plötzlich ganz still um mich wird. Ich ringe nach Luft. Nicht wegen der Höhe, sondern weil mir der Anblick dieser gewaltigen Pyramide aus Fels, Eis und Schnee den Atem raubt. Wenig erzeugt in mir ein solches Gefühl von Erhabenheit. Der Staub des Alltagslebens ist abgeschüttelt. Meine Sinne werden von den schroffen Graten, aalglatten Felswände und steilen Flanken ringsum schier erdrückt. Ein Sturm der Empfindungen erfasst mich. Der Schöpfergeist der Natur stellt alles andere in den Schatten. Ich atme tief durch. Spüre die Freiheit und den Berg und wie mir das Glück entgegen flattert.
Die Aussicht auf die Glocknergruppe und die Granatspitzgruppe mit Großem Muntanitz, Kendlspitze und Granatspitze ist einfach unbeschreiblich. Die Worte versiegen. Meine Gedanken halten inne. Geben Raum für die Berge und die innige Verbindung, die ich zu ihnen spüre.
Was hier oben weniger Vergnügen bereitet ist der aufbrausende Wind. Aufgrund der starken Böen hat man das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen. Dies hält niemanden lange am Gipfel. Ich blicke mich um und stelle fest, dass wir mittlerweile ganz allein sind. Dieses Glück genieße ich noch ein wenig, bevor wir uns ebenfalls für die Abfahrt wappnen. Als ich über die Greiwiesen wedle, fühle ich mich noch immer von den Eindrücken beflügelt. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht und der Schobergruppe vor Augen ziehe ich meine Schwünge zurück zum Parkplatz.
Fazit zur Tour: Am Gipfel des Figerhorns schwebt man auf einer Wolke der Begeisterung. In kürzester Zeit gelangst du in den Genuss einer hochalpinen Bergszenerie, die dich in ihren Bann ziehen wird. Der Großglockner scheint lediglich eine Armlänge entfernt. Die Dreitausender ringsum flößen einerseits Ehrfurcht ein, üben andererseits aber auch eine grosse Anziehungskraft aus. Das Figerhorn zählt mit Sicherheit zu den Highlights meiner bisherigen Skitouren. Bis auf den bis zu 35 Grad steilen Schlusshang ist die Tour nicht allzu anspruchsvoll. Dieser letzte Part darf aber keinesfalls unterschätzt werden. Insgesamt eine wunderschöne Tour, die nicht allzu viel Zeit beansprucht und von einem atemberaubenden Bergpanorama gekrönt wird.