Mittlerweile kann ich nicht mehr leugnen, dass heute etwas anders ist als sonst. Obwohl wir gerade einmal eine Stunde unterwegs sind, fühle ich mich, als hätte ich schon 1000 Höhenmeter in den Beinen. Mein Kopf brummt und dröhnt, als würde jemand den Vorschlaghammer schwingen. Die Muskeln sind angespannt und kraftlos, obwohl der Anstieg nicht der Rede wert ist. Ist es die eisige Kälte von minus 18 Grad? Die vergangene, stressige Woche? Oder die Retourkutsche, weil ich gestern nicht früh genug ins Bett gegangen bin? Ich zermürbe mir den Kopf und finde trotzdem keine Antwort. Frust, Verzweiflung und Enttäuschung keimen auf, bis schließlich eine Träne über meine Wangen läuft. Alles in mir sträubt sich dagegen, aufzugeben. Meine Ganz-oder-gar-nicht-Mentalität steigt auf die Barrikaden. Doch aus dem Rendezvous mit dem Gipfelkreuz wird trotz allem nichts mehr. Das letzte Quäntchen Hoffnung versiegt.
Inhaltsverzeichnis
Neue Tour, neues Glück?
Heute soll alles anders werden als bei der letzten Tour. So lautet zumindest mein Plan. Zugegeben, ich bin ein bisschen nervös, als wir vom Parkplatz in Richtung Filzmooshörndl starten. „Hoffentlich klappt es heute besser“, bete ich. Es sind jene Momente, über die niemand gerne ein Wort verliert. Und doch sind solche Niederlagen Teil der persönlichen Weiterentwicklung. Manchmal legt der eigene Körper eine Vollbremsung hin, obwohl die Ampel scheinbar auf „Grün“ steht.
Das rüttelt am Ego und man sucht händeringend nach Erklärungen. Ich bin sehr ehrgeizig und kann solche Rückschläge nur schwer akzeptieren. Vorwürfe und Selbstzweifel führen aber nicht aus dem Gedanken-Labyrinth hinaus. Die Einsicht, dass man keine Maschine ist und auch mal einen schlechten Tag haben kann, allerdings schon. Nach einer selbstverordneten Pause wage ich mich heute wieder auf meine beiden Bretter. Der eisige Wind rötet meine Backen. Der Atem dampft in der bitterkalten Winterluft. Die Sonne strahlt vom Himmel. Die Bedingungen wären jedenfalls perfekt.
Berg | Filzmooshörndl und Loosbühel 2189 Meter und 2048 Meter Großarl, Salzburg |
Skitour | mittelschwere Skitour Dauer: 4 Stunden Länge: 10 Kilometer Aufstieg/Abstieg: 850 bzw. 1150 Höhenmeter (inklusive Loosbühel) Hangrichtung: N, NO Höhenprofil & Karte |
Anfahrt | Parkplatz Grundlehen Zum Google Maps Routenplaner |

Man sieht sich immer zwei Mal!
Das Filzmooshörndl ist ein alter Bekannter. Bereits vor ein paar Jahren war ich zum Wandern hier. Wo damals saftige Wiesen blühten, liegt jetzt eine dicke Schneeschicht. Das sogenannte Ellmautal, in dem wir uns befinden, zweigt bei Großarl vom Großarltal ab und zieht sich von dort etwa fünf Kilometer nach Osten. Das Tal beherbergt einige Bauerngüter und ist auf beiden Seiten von Almen umgeben. Der erste Teil der Tour führt durch den tiefverschneiten Wald hinauf zur Filzmoosalm.
Ich erinnere mich, wie wir hier total verschwitzt und mit Sonnenbrand im Gesicht auf der Terrasse Platz nahmen. Und an das leckere hausgemachte Käsebrot, das unsere Energiespeicher wieder auflud. Der Aufstieg bis hierhin ist mir nicht schwer gefallen. Ich könnte Bäume ausreißen. Meine Beine strotzen vor Kraft und haben noch kein einziges Mal rebelliert. Mein Puls bleibt stets in der Komfortzone und ich genieße die Tour in vollen Zügen. Bleibt zu hoffen, dass sich daran nichts ändert.


Eine klassische „Modetour“?
Wenn ich sagen würde, dass diese Tour „beliebt“ ist, wäre das noch weit untertrieben. Im Gänsemarsch folgen unzählige Gruppen, Duos und Solisten der Spur durch den schütteren Lärchen- und Zirbenwald. Wir warten ein wenig ab, bis wir uns ebenfalls an den steilen Spitzkehren-Hang unterhalb des felsigen Harsteins wagen. Das Spitzkehren-Vergnügen währt nicht lange und schon stehen wir auf dem weitläufigen Almgebiet. Von weitem sieht man hier schon den Gipfel des Filzmooshörndls.
Der Abfahrtshang ist längst nicht mehr jungfräulich, sondern von einer wellenförmigen Musterung durchzogen. Unterhalb des Gipfels tummeln sich unzählige Fellgeher in Form von kleinen bunten Punkten. In eine weiße Unschuld gewickelt, liegt das flache Kar vor uns. Dank der nordseitigen Ausrichtung gastiert der Schnee hier besonders lange. Bis über die Knöchel reicht die weiße Pracht. Das reine Glück, in welches man sich am liebsten mit Wonne hineinplumpsen lassen möchte. An die Tücken der letzten Tour denke ich längst nicht mehr. Die Skepsis liegt unter einer glitzernden Schneedecke begraben.

Auffi aufn Berg
Weil am Filzmooshörndl noch immer Remmidemmi herrscht, beschließen wir spontan, zum Filzmoossattel und der Filzmooshöhe aufzusteigen. Dort angekommen, stehen wir im Schatten des mächtigen Draugsteins und werden in Sekundenschnelle all den mentalen Ballast los. In diesem Augenblick gibt es nur meine Augen und die mächtigen Bergspitzen in der Ferne. Man fühlt sich dem Himmel so nah und dem Alltag so fern. Die Schönheit der Szenerie saugt jegliche Selbstkritik auf. Ein Seelen-Striptease im Tête-à-Tête mit der Natur. Hocharn, Sonnblick, Hochalmspitze, Keeskogel und sämtliche Berggipfel der Hohen Tauern strecken ihre Häupter in die Sonne. Langsam erreichen die ersten Tourengeher unseren Aussichtsplatz. Zeit, hinüber zum Filzmooshörndl zu wechseln.




Wort zum Sonntag
„Nicht weit von hier bin ich gewachsen. Nun, begipfelt und bekrönt, wache ich o Herr, zum Wohle aller über Filzmoos, dieses wunderbare Fleckchen Erde“
Text auf der Tafel des Gipfelkreuzes am Filzmooshörndl
Wahrhaftig ist das hier ein ganz besonders schönes Plätzchen. Eine fantastische Aussicht, die von der Hochalmspitze im Süden, über den Großglockner im Westen, dem Hochkönig im Norden bis zum Dachstein im Osten reicht, lässt uns nach Worten ringen. Auf der gegenüberliegenden Seite hat man den felsigen Draugstein fest im Blick. Die Sonne strahlt noch immer mit ganzer Kraft. Der Himmel ist so blau, dass es schon fast unwirklich erscheint.






Ich bin zwar müde, aber nicht ausgelaugt. Diese Erkenntnis verleiht meinem angeschlagenen Ego neuen Aufschwung. Mit der Gewissheit in der Tasche, dass ich meine Ausdauer und Kraft nicht länger in Frage stellen muss, schlüpfe ich in die Bindung und wedle den Hang hinab. Zum Glück gibt es noch das ein oder andere unberührte Fleckchen Pulverschnee. Ich dirigiere meine Skier dorthin und breche durch die unschuldige Schneedecke. Ob es mir jemals leicht fallen wird, meine Grenzen zu akzeptieren? Wohl kaum. Ob ich nun weiß, dass es nur eine Momentaufnahme sein kann? Auf jeden Fall!

Fazit zur Tour: Die Skitour auf das Filzmooshörndl muss man einfach gemacht haben, wenn man im Großarltal unterwegs ist. Das felsige Hörndl ist nicht umsonst so gut besucht, denn am Gipfel wird man mit einem herrlichen Weitblick belohnt. Da für meinen Geschmack viel zu viele Menschen unterwegs waren, würde ich diese Tour nicht mehr am Wochenende gehen. Wer Lust und Zeit hat, kann wie wir einen Abstecher zum schönen Gipfelkreuz auf der Filzmooshöhe machen. Eine beliebte Alternative zur unspektakulären Abfahrt über den Forstweg führt übrigens von der Filzmoosalm über den Loosbühel zurück zum Parkplatz. Hierfür muss man rund 300 Höhenmeter zusätzlich zum Loosbühel aufsteigen. Von dort genießt man schlussendlich die Abfahrt über die traumhaften Nordwesthänge und Schneisen hinab nach Grund.