Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Emsig werden Vorsätze gemacht, die vergangenen Monate laufen wie ein Film vor dem inneren Auge ab. Das Gedankenrad dreht sich auf Hochtouren. Was könnte man verändern, was besser machen? Ich zerbreche mir auch gerne den Kopf. Dafür braucht es allerdings keinen bestimmten Tag im Jahr. Eine Liste an Neujahrsvorsätzen habe ich deshalb noch nie gemacht. Es gibt da aber einen Gedanken, der schon länger in meinem Kopf umher schwirrt. Das ganze Jahr über bin ich in den Bergen unterwegs. Warum nicht auch am allerletzten Tag? Silvester auf Skiern – das wäre doch was!
Inhaltsverzeichnis
Gesagt, getan!
Jungfräuliche Hänge, strahlend blauer Himmel und lockerer Schnee, der in der Sonne glitzert. Der unberührte Pulverschnee übt auf mich eine bizarre Faszination aus. Immer wieder verlasse ich absichtlich die Aufstiegsspur, um quietschvergnügt durch die luftigen Flocken zu laufen. Dabei macht es mir irrsinnigen Spaß, die Perfektion der weichen Oberfläche mit meinen zwei Brettern zu durchbrechen. Und gleichzeitig finde ich es fast ein wenig schade, das Idyll hier oben mit meinen Skiern und Stöcken zu zerkratzen. Dort, wo noch niemand seine Spuren hinterlassen hat, sieht die Natur aus, als wäre sie in Watte gepackt worden.
Während ich meine Skier unter mir vor und zurück schiebe, inspizieren meine Augen die Umgebung. Die Bäume werfen ihren sanften Schatten auf die Schneedecke und verleihen ihr eine wunderschöne Musterung. Die Sonne bricht durch die angezuckerten Nadelhölzer und lässt den Schnee wie Diamanten funkeln. Mein Kopf ist von der Höhenluft freigepustet. Die Schenkel sind angenehm müde, aber nicht überfordert. Ich stelle mir vor, wie es wäre, sich einfach in den Schnee fallen zu lassen. In eine weiche Federdecke, die mich kuschelig umhüllt.
Berg | Penkkopf 2011 Meter Großarl, Salzburg |
Skitour | mittelschwere Skitour Dauer: 4 Stunden Länge: 9,2 Kilometer Aufstieg/Abstieg: 830 Höhenmeter Hangrichtung: S Höhenprofil & Karte |
Anfahrt | Parkplatz Breitenebenalmschranke Zum Google Maps Routenplaner |
Guten Rutsch!
Bisher war der Aufstieg ein Wechselspiel aus Waldstreifen und Almgelände, zu dem sich der ein oder andere Meter Forststraße gesellte. Beim Gasthof Breiteneben halten wir uns südostwärts und folgen der Wegtrasse in Richtung Großwildalm. Ich überlege gerade noch, ob ich nicht doch die Kamera zücken sollte, als ich plötzlich den Boden unter den Füßen verliere. Eine steile und glatte Stelle am Ausstieg des Waldes wird mir zum Verhängnis. Vorsichtig versuche ich, mich wieder aufzurichten. Und rutsche dabei immer tiefer nach unten. Als ich merke, dass ich alleine nicht mehr hochkomme, werde ich ein wenig nervös. Zum Glück bin ich nie alleine unterwegs. Da hilft nur mehr Abschnallen und am Stock nach oben ziehen. „Puh, da bin ich wohl vorzeitig ins neue Jahr gerutscht“, kann ich nach der Rettungsaktion über mich selbst lachen.
Versteckspiel
Schließlich gelangen wir auf einen freien Hang mit lichtem Waldbewuchs. Im immer gleichen Tempo schieben wir uns den Bergrücken hinauf. Mein Geist schweift ab, scheint mal stillzustehen, um dann wieder in den Eindrücken rund um mich zu versinken. Die ersten Tourengeher flitzen im weißen Rausch an uns vorbei. Das Geräusch des knirschenden Schnees ist wie Musik in meinen Ohren. Schließlich zeigt sich ein erster felsiger Aufbau an der Waldgrenze. Der Gipfel ist zum Greifen nahe. Meine Spitzkehren-Technik muss ich heute also nicht mehr unter Beweis stellen.
Wie ein Geschenk, das man langsam auspackt, zeigt sich mit jeder Skilänge ein bisschen mehr vom Panorama. Spannung liegt in der Luft. In diesem Moment, kurz vor dem Gipfelsieg, lege ich in Gedanken einen Schalter um. Nichts kann mich jetzt mehr aufhalten. Berauscht vom Mix der eigenen Glückshormone werden die Schritte schneller, obwohl sich die Beine schon ein wenig schwer anfühlen. „Gibt’s da überhaupt einen richtigen Gipfel?“, werde ich gefragt. „Klar gibt’s den!“, kontere ich überzeugt. Schließlich habe ich ihn ja schon auf Fotos gesehen. Doch das Gipfelkreuz versteckt sich bis zur letzten Sekunde.
Adieu 2020!
Oben angekommen herrscht Hochbetrieb. Tourenskier werden von den Fellen befreit, wärmender Tee aus Thermoskannen gegossen und die letzte Gipfeljause dieses Jahres verspeist. „Wir waren wohl nicht die einzigen mit dieser Idee“, kichere ich. Mein Blick fällt in die Ferne auf eine Gruppe weißer Riesen. So unscheinbar der Penkkopf selbst ist, desto beeindruckender ist seine Nachbarschaft. Auch der Kleinarler Hausberg, die Ennskraxn, türmt sich mit ihrer beeindruckenden weißen Wand vor unseren Augen auf. Durch ihr einheitliches weißes Kleid wirken die Felsspitzen umso mächtiger. Wie eine Armee aus Eis und Schnee, die ihre Hände in den Himmel streckt.
Das Wetter ist heute richtig angenehm und so bleibt uns ausreichend Zeit, den Gipfel und seine Aussicht zu genießen. In diesem Moment spule ich den Film ein wenig zurück. Wie im Zeitraffer preschen Gedanken, Erinnerungen und Bilder durch meinen Kopf. Es war durch Corona sicherlich kein einfaches Jahr, aber doch eines, in dem ich so viel Zeit wie nie in den Bergen verbracht habe. Neue Regionen wurden erkundet, langgehegte Gipfelträume erfüllt. Endlich ein Dreitausender bestiegen. Ich habe mein erstes Jahr in Salzburg gelebt und könnte beim Anblick der tiefverschneiten Bergwelt nicht glücklicher sein.
Federleicht
Irgendwann ist auch der letzte Schluck Tee getrunken und der letzte Riegel verspeist. Die Bindungen klacken, die Rucksackriemen werden festgezurrt. Die Vorfreude ist groß, denn wir wissen ja schon, dass uns nun eine feine Pulverabfahrt erwartet. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht lehne ich meinen Oberkörper nach vorne und lasse die Skier Fahrt aufnehmen. Bei jedem Schwung wirbeln die Schneeflocken durch die Luft. Die Skier verschwinden im Pulver, um kurz Zeit später auf einer fluffigen Welle zu surfen.
Wir gleiten scheinbar schwerelos den Hang hinab. Ich traue mich, weniger zu bremsen und genieße den Ritt über das weiße Gold. Je mehr ich auf mein Können vertraue, desto flüssiger bahnen sich meine Skier den Weg durch die weichen Wogen. Leider hat auch die schönste Abfahrt ein Ende. Ich strahle wie ein Honigkuchenpferd, als ich die Ausrüstung ins Auto packe. Das war wohl der beste Abschluss, den ich mir für das Bergjahr 2020 hätte wünschen können. Mal sehen, ob 2021 dies noch übertreffen kann. Pläne habe ich jedenfalls zu Genüge.
Fazit zur Tour: Der Penkkopf hat uns bewiesen, dass eine Tour nicht immer schwierig sein muss, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Angefangen von der wunderschön verschneiten Landschaft über die angenehme Schwierigkeit bis hin zu dem tollen Ausblick vom Gipfel hat dieser Berg keine Wünsche offen gelassen. Die Abfahrt im tiefen Pulverschnee gab es als Sahnekirsche obendrauf. Eine Kombinationsmöglichkeit bietet sich in Form der sogenannten Gabel (Kitzstein), einem Nebengipfel des Penkkopfes.