Noch etwas verschlafen greife ich sogleich nach zwei Wolldecken, wickle mich darin von Kopf bis Fuß ein. Die Kamera fest umschlungen, trete ich aus der knarrenden Eingangstür des Matrashauses. Eine Brise erfrischender Bergluft strömt mir sogleich entgegen – jedoch wärmer, als ich es auf beinahe 3000 Metern Höhe erwartet hätte. Vor der Hütte haben sich bereits einige Menschen versammelt. Auf der schmalen Holzbank sichere ich mir einen Platz ganz vorne, noch lässt das Spektakel auf sich warten. Den Aufstieg vom Vortag in den Gliedern, fieberhaft auf die imposante, karge Felslandschaft blickend, beflügelt die unendliche Weite mein Gemüt und lässt Endorphine durch meinen Körper rauschen.
Inhaltsverzeichnis
Der Hochkönig – ein Hüne zwischen Schnee und Fels
Der Name Hochkönig bezeichnet sowohl den höchsten Gebirgsstock der Berchtesgadener Alpen als auch den gleichnamigen Gipfel (2941 m). Für meine erste Tour auf den majestätischen Berg wählen wir den beliebten Normalweg, welcher beim Parkplatz des Arthurhauses (1502 m) startet. Schon beim Anziehen der Wanderschuhe schwenkt mein Blick immer wieder zu den wild gezackten Felstürmen der Mandlwand. Ein Panorama der Superlative. Entlang des Schotterweges marschieren wir in Richtung der bewirtschafteten Mitterfeldalm (1669 m), welche wir bereits nach einer halben Stunde erreichen. Trotz verführerischer Schmankerl verzichten wir auf einen Stopp, um keine Zeit zu verlieren. Zuerst der Gipfel, dann der Gusto.
Berg | Hochkönig 2941 Meter Mühlbach am Hochkönig, Salzburg |
Wandern | Schwierigkeit: schwer Dauer: 9 bis 10 Stunden Länge: 20 Kilometer Aufstieg/Abstieg: 1680 Höhenmeter Höhenprofil & Karte |
Hütte | Mitterfeldalm Matrashaus |
Anfahrt | Gebührenpflichtiger Parkplatz beim Arthurhaus: Informationen und Parkgebühr Zum Google Maps Routenplaner |
Gemächlicher Anstieg zum bizarren Ochsenkar
An der Mitterfeldalm wendet der Weg nach Nordwesten und führt anfangs höhengleich, dann leicht abwärts hinüber zur Kleinen (1647 m) und Großen Gaißnase (1931 m), wo die Felsen der Mandlwand am tiefsten ins Kar hinabreichen. Der Pfad lotst uns unterhalb des Großen Schneeklammkopfs und der Vierrinnenköpfe durch dichte Latschenfelder, Schutthänge und über unwegsames Geröll hinweg in das Untere Ochsenkar (1770 m). Mittlerweile haben wir an Höhe zugelegt, wobei sich die Anstrengung noch in Grenzen hält.
Vorbei an der Wächterin des Hochkönigs: die Torsäule
Von hier an windet sich der Wanderweg kontinuierlich nach oben. Ein felsiger Pfad führt durch eine Karrenlandschaft, die aussieht, als hätte jemand gigantische Gesteinsbrocken auf der Wiese verteilt. Der sogenannte Ochsenriedel ist länger als erwartet und leitet uns in Schlangenlinien auf die rechte Karseite zum Fuße der Torsäule. Die Torsäule (2588 m) ist eine sehr steile, etwa 500 Meter hohe Kalksteinformation an der Ostflanke des Hochkönigs. Wie Ameisen erscheinen uns die kühnen Kletterer, welche sich in der steilen Felswand Kommandos zurufen. Froh über den festen Boden unter unseren Füßen wandern wir entspannt südlich der gigantischen Felspyramide. Das Tracking für den Aufstieg meldet bereits Halbzeit. Unsere Beinmuskulatur arbeitet auf Hochtouren, aber noch weit entfernt von ihren eisernen Reserven.
Schartensteig: Kampfansage an die Waden
Ab diesem Punkt lässt die Wanderung ihren hochalpinen Charakter durchblicken. Über Geröll und Felsbrocken dirigieren uns die Markierungen durch den Kessel des Oberen Ochsenkars (2380 m). Wir wechseln auf die linke Seite zum Fuße des Kleinen Bratschenkopfs (2686 m) und folgen dem Schartensteig über den berühmt-berüchtigten „Kniebeißer“, der seinem Namen alle Ehre macht, zur Schrammbachscharte (2529 m). Spätestens jetzt fließt der Schweiß die Stirn hinab. Mit vollem Wadeneinsatz lasse ich Felsstufe um Felsstufe hinter mir. Mühsam nährt sich das Eichhörnchen, bis diese Schlüsselstelle endlich überwunden ist. Nach einem kurzen Abstieg erreichen wir schlussendlich die sogenannte „Übergossene Alm“. Aus dem früheren Eispanzer ist im Laufe der Jahrzehnte eine Steinwüste geworden. Heute sind nur mehr Reste des ehemaligen Gletschers zu sehen.
Übermut tut selten gut: Die Sage von der Übergossenen Alm
Laut einer Sage soll der Hochkönig-Gletscher als Strafe für die in Überfluss lebenden, reichen Sennerinnen entstanden sein, die einen Unterschlupf suchenden Wanderer fortjagten. Die Frauen, welche den Weg mit Käselaiben pflasterten, in Milch badeten und die Hörner der Stiere sowie die Glocken ihrer Kühe vergoldeten, wurden der Sage zufolge von einem Sturm aus Eis und Schnee begraben.
Die unendliche Geschichte: über das Hochkönig-Plateau zum Matrashaus
Je nach Jahreszeit quert man früher oder später die ersten Firnfelder. In einem stetigen Auf und Ab passieren wir das Hochkönig-Plateau. Meist orientieren wir uns an den gut sichtbaren Markierungsstangen. Das Matrashaus hält sich nicht lange versteckt. Majestätisch ragt es aus der grauen Felslandschaft empor. Nichtsdestotrotz rufe ich mir die Worte eines Freundes ins Gedächtnis: „Wenn du das Matrashaus siehst, dann ist es noch ziemlich weit.“
Und tatsächlich trügt der Schein. Die am obersten Zipfel thronende Hütte wirkt stets zum Greifen nahe und scheint im gleichen Atemzug Lichtjahre entfernt. Zahlreiche Steilstufen über Fels- und Geröllkuppen sowie eine Rutschpartie über das große Schneefeld später sind wir immer noch nicht am Ziel angelangt. Auf den letzten Metern bin ich schon ziemlich erschöpft – die Tour ist sowohl mental als auch konditionell wirklich fordernd. Schier unendlich erscheint mir der letzte Anstieg vor dem Gipfelsieg. Zwei Eisenleitern später schaffen wir es doch noch pünktlich zu unserer Audienz beim König.
Ankunft am Matrashaus
Eine kräftigende Suppe sowie Spaghetti stehen heute am Speiseplan. Köstlicher Duft strömt bereits aus der kleinen Hüttenküche. Die Kohlenhydrat-Speicher müssen nach dem kräftezehrenden Aufstieg jedenfalls wieder aufgefüllt werden. Das Matrashaus liegt auf 2941 Metern Höhe, Eigentümer ist der Österreichische Touristenklub (ÖTK). Roman Kurz und seine Frau „Jeni“ sind seit 1999 Hüttenwirte am Matrashaus. Nachdem er fünf Jahre lang das Watzmannhaus in Berchtesgaden bewirtschaftet hatte, wechselte Roman 1999 auf den Hochkönig. Gemeinsam mit seiner Frau sorgt er für das Wohl der Gäste. Wenn du eine Nacht im Matrashaus verbringen möchtest, solltest du unbedingt vorab reservieren. Im Anschluss an die Völlerei beim Abendmahl möchten wir noch ein Logenticket für den Sonnenuntergang ergattern.
Eine Nacht im königlichen Schlafgemach
Großvenediger, Steinernes Meer, Watzmann, Untersberg, Tennengebirge, Bischofsmütze, Dachstein, Tischlergruppe und Sonnblick liegen uns zu Füßen. Erwartungsvoll gen Horizont blickend, zählen wir die Minuten bis zum Sonnenuntergang. Langsam senkt sich der Feuerball über den schneebedeckten Bergspitzen von Kummetstein (2875 m), Lammkopf (2846 m) sowie Weißkar und färbt das graue Gestein in den schönsten Orangenuancen. Die Nacht verbringen wir im Matratzenlager im obersten Stock. Ich kann nicht sagen, ob die Höhe von fast 3000 Metern oder die Geräuschkulisse im Zimmer (Ohrstöpsel vergesse ich garantiert nie wieder!) daran Schuld trägt, dass ich immer wieder aus dem Schlaf gerissen werde. So fällt es mir auch nicht besonders schwer, mich zum Sonnenaufgang aus dem Bett zu schälen.
Wenn die Sonne die Bergspitzen küsst
Gebannt blicke ich auf die gigantische Felswand des Großen Bratschenkopfes (2857 m) und des Wetterriffls (2618 m). Zaghaft umhüllen die ersten warmen Sonnenstrahlen die Berggipfel. Das schöne Licht, die Stille und die erwachende Natur machen diesen Moment zu etwas ganz Besonderem. In Zeitlupentempo verdrängt die Sonne langsam die Dunkelheit. Ein Idyll, wie man es nicht in Worte fassen kann. Sehr eindrucksvoll ist außerdem die Aussicht hinab ins Birkar und auf die Hohen Köpfe (2307 m).
Ich knipse ein Foto nach dem anderen und merke plötzlich, dass mittlerweile alle wieder in die warme Hütte verschwunden sind. In der Stube ist das Frühstück bereits in vollem Gange. Nach diesem energiereichen Start in den Tag machen wir uns bereit für den Abstieg. Hierfür wählen wir exakt denselben Weg wie am Vortag. Da wir den Gipfelsieg mittlerweile in der Tasche haben, setzt sich diesmal der Gusto durch. Auf der Mitterfeldalm gönnen wir uns eine letzte Rast und ordern, wie hätte es anders sein können, eine große Portion hausgemachten Kaiserschmarren.
Alle Infos zur Wanderung auf den Hochkönig
Die Zweitagestour im Überblick:
- Parkplatz Arthurhaus (1500 m) – Mitterfeldalm (1690 m): 30 bis 40 Minuten
- Mitterfeldalm – Matrashaus (2600 m): 4,5 bis 5,5 Stunden
- Matrashaus – Parkplatz Arthurhaus: 4,5 Stunden
Fazit zur Tour: Die Wanderung auf den Hochkönig ist eine wirkliche Traumtour und ideal, um das erste Mal Hochtourenluft zu schnuppern. Im Sommer benötigt man üblicherweise keine Steigeisen. Dennoch ist die Wanderung nur für konditionsstarke Bergsteiger geeignet. Aufgrund der Länge empfiehlt es sich, eine Hüttenübernachtung einzuplanen.
Immer wieder spannend zu lesen 😊