Ein dumpfer, dröhnender Lärm, begleitet von einer schweren Erschütterung bringt den Boden unter den Füßen zum Beben. Tausende Tonnen Fels wirbeln durch den nachtschwarzen Himmel, gefolgt von einem unerbittlichen Artilleriegefecht. 100 Jahre sind mittlerweile vergangen, seit sich die verfeindeten Truppen der Italiener und Österreicher an der Front des Ersten Weltkrieges in Eis und Fels in die Augen blickten. Die Narben dieser Jahre haften bis heute an den Berghängen der Dolomiten, die zur Bühne des menschlichen Irrsinns wurden.
Auf den Spuren des Ersten Weltkrieges
Mit Handbohrmaschinen und Meißeln werden im Ersten Weltkrieg Bergstollen gegraben und die Berggipfel unterminiert, um sie wenig später in die Luft zu sprengen. Schnee, Eis, Lawinen, Steinschlag und Temperaturen unter minus 30 Grad im Winter fordern unzählige Menschenleben. Insgesamt kommt ein Drittel der Opfer durch Naturgewalten oder Krankheit ums Leben. Wer heute auf den ehemaligen Versorgungssteigen wandert, fühlt sich wie ein Zeitreisender. Rostiger Stacheldrahtzaun, Überreste von Konservendosen, tiefe Schächte in den Bergen und verfallene Stellungsbauten lassen nur annähernd erahnen, wie man hier um das Vaterland kämpfte.


Etappe: Dreizinnenhütte – Zsigmondyhütte
Wandern | Schwierigkeit: schwerer Bergweg mit Klettersteig Dauer: 7 bis 8 Stunden Länge: 8,2 Kilometer Aufstieg: 750 Höhenmeter Abstieg: 900 Höhenmeter Höhenprofil und Karte |
Klettersteig | Torre di Toblin / Leiternsteig (C) Zustieg: 35 Minuten Abstieg: 50 Minuten Kletterzeit: 45 Minuten Steighöhe: 100 Höhenmeter Via Ferrata De Luca Innerkofler (B, 1-) Zustieg: 15 Minuten Abstieg: weiter über Schartensteig Kletterzeit: 2 Stunden (inklusive Paternkofel-Gipfel) Steighöhe: 300 Höhenmeter Sentiero delle Forcelle / Schartensteig (A/B) Zustieg: zweigt von der Gamsscharte am Paternkofel links ab Abstieg: 1 Stunde zur Büllelejochhütte Kletterzeit: 50 Minuten |
Hütte | Ausangspunkt: Dreizinnenhütte Endpunkt: Zsigmondyhütte Einkehrmöglichkeit am Weg: Büllelejochhütte |
Anfahrt | Da wir auf der Dreizinnenhütte übernachtet haben, können wir gleich von hier starten. Um zu den Drei Zinnen zu gelangen, fährt man von Misurina (Preise und Öffnungszeiten der Mautstraße) kommend bis zum gebührenpflichtigen Parkplatz der Auronzohütte (Zum Google Maps Routenplaner). Von dort führt ein Weg (Nr. 101) hinauf zur Lavaredohütte. An der privaten Schutzhütte steigt man weiter zum Paternsattel und schließlich zu den Drei Zinnen auf. Wenn man den De Luca Innerkofler Steig gehen möchte, kann man von der Gamsscharte am Paternkofel wieder in Richtung Lavaredohütte absteigen oder man wandert weiter in Richtung Büllelejochhütte/Zsigmondyhütte (Mehrtagestour). |

Wir erwachen an jenem Julimorgen in unserem Lagerplatz bei der Dreizinnenhütte, von wo aus wir die heutige Klettersteigtour starten. Die Hütte ist ein idealer Ausgangspunkt zu den umliegenden Klettersteigen, welche nur wenige Gehminuten entfernt liegen. Immerhin drei Steige haben wir uns für den heutigen Tag vorgenommen, beginnend mit dem Via Ferrata am Toblinger Knoten. Unser Gepäck lassen wir diesmal in der Hütte, um befreit von jeglicher Last die Kletterei genießen zu können.
Leiter um Leiter auf den Toblinger Knoten
Der Klettersteig am Toblinger Knoten (auch Leiternsteig genannt) ist ein relativ kurzer, aber ungewöhnlicher Steig. Insgesamt 17 Leitern führen meist direkt in einem Kamin durch die fast senkrechte Nordwand des Toblinger Knotens (2617 m). Der Abstieg erfolgt über den Ostgrad und den Feldkurat-Hosp-Steig. Dieser ist mit einer Schwierigkeit von A/B deutlich einfacher bewertet als der Aufstiegsweg. Während des Gebirgskrieges von 1915-1918 war der Toblinger Knoten unter anderem wegen seines 360 Grad-Panoramablicks von großer strategischer Bedeutung und wurde mit zahlreichen Stellungen ausgebaut. Der Leiternsteig wurde erstmals im Frühjahr 1916 errichtet und 1979 schließlich zum modernen Klettersteig umgebaut. Teile der alten Wehr- und Steiganlage sind jedoch heute noch sichtbar.
Innerkofler de Luca Klettersteig: am Schicksalsberg Paternkofel
Nach einer kurzen Pause und einem riesigen Stück Torte auf der Terrasse der Dreizinnenhütte brechen wir in Richtung Paternkofel (2744 m) auf, welchen wir über den De Luca Innerkofler Steig erklimmen wollen. Von der Dreizinnenhütte führt ein gut erkennbarer, ausgetretener Pfad zum Eingang des Klettersteigs, wobei hier schnell klar wird: ohne Stirnlampe wird das nichts! Denn anstatt hoch hinaus geht es zunächst tief hinein in das Innere des Berges. Über steile und hohe Stufen dringen wir stetig tiefer in die Dunkelheit des Stollens „Galleria Paterna“ vor, welcher im Ersten Weltkrieg errichtet wurde. Dabei halten wir immer wieder an, um durch die Löcher den tollen Blick auf die Drei Zinnen und die umliegende Bergszenerie zu genießen.






Der Held vom Paternkofel
1915 ist der Österreicher Sepp Innerkofler bereits 50 Jahre alt, als er sich zum Kriegsdienst meldet. Der erfahrene Alpinist und damalige Hüttenwirt der Dreizinnenhütte ist auch als Erstbegeher der Nordwand der Kleinen Zinne bekannt. Es ist der 4. Juli 1915, als Sepp Innerkofler eine kleine Patrouille zum Gipfel führt, um den von den Italienern besetzten Paternkofel zurückzuerobern. Auf der gegnerischen Seite kämpft unter anderem Piero de Luca. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, ob Innerkofler durch einen Steinwurf oder eine Kugel im Kopf getötet wurde. Schließlich wurde der heutige Klettersteig in Gedenken an die beiden Beteiligten „De Luca Innerkofler“ benannt.



Am Ende des Tunnels angelangt, beginnt der eigentliche Klettersteig, welcher mit einer Schwierigkeit von A/B bis zur Gamsscharte (2675 m) nicht allzu fordernd ist. Dennoch sind im Gipfelbereich des Paternkofels einige ungesicherte und exponierte Stellen zu überwinden. Hier befindet sich auch die Schlüsselstelle – ein kurzer Steilaufschwung im Schwierigkeitsgrad C. Am Gipfel des Paternkofels hat man einen traumhaften Blick auf die bügeleisenförmigen Drei Zinnen, die Dreischusterspitze, den Toblinger Knoten sowie das umliegende Bergmassiv. Auch eine Gedenktafel an den gefallenen Innerkofler hat hier oben ihren Ehrenplatz gefunden.

Rückweg zur Zsigmondyhütte
Vom Gipfel des Paternkofels geht es zurück zur Gamsscharte, von wo aus wir den Weiterweg über den leicht ausgesetzten Schartensteig (A/B) nehmen (alternativ: Abstieg über den Passportensteig zur Lavaredohütte). Das Stahlseil führt uns entlang der Südseite der Gamsspitzen bergauf und bergab, durch tiefe Schluchten und vorbei an den zerklüfteten Gipfeln der Dolomiten. Wir säumen einige Kriegsstellungen, an denen der Zahn der Zeit bereits seine Spuren hinterlassen hat. Keine einzige Menschenseele begegnet uns auf diesem Streckenabschnitt. Wir fühlen uns wie Abenteurer inmitten der wilden Südtiroler Berge.
Schließlich gelangen wir nach rund 2,5 Stunden zur Büllelejochhütte. Von hier aus wandern wir eine weitere Stunde zur Zsigmondyhütte, die unser Nachtlager für diesen Tag ist. Als sich die Sonne hinter den Zacken der Dolomiten senkt, schweift mein Blick in Richung des Alpinisteiges, unser Etappenziel für den morgigen Tag und letzter Klettersteig der Tour. Schade, wie schnell die Zeit vergeht. Ich wäre gerne noch länger geblieben, auch wenn sich die langen Wanderungen der letzten Tage schon in meinen Waden bemerkbar machen. Aber bevor ich zu viel über den Abschied grüble, freue ich mich lieber auf das, was uns morgen noch erwartet.
Zum Blogbeitrag der 4. Etappe „Zsigmondyhütte – Talschlusshütte“




Alle Infos zur Tour
Die gesamte Etappe im Überblick:
- Toblinger Knoten – Dreizinnenhütte: 1,5 bis 2 Stunden
- Dreizinnenhütte – Gamsscharte: 1 Stunde
- Gamsscharte – Paternkofelgipfel (Auf- und Abstieg): 1 Stunde
- Schartensteig – Büllelejochhütte: 2 bis 2,5 Stunden
- Büllelejochhhütte – Zsigmondyhütte: 1 Stunde