Wir werden verschlungen von einem Teppich aus dichtem Nebel und leichten Regentropfen. Es ist kurz nach Mittag, als wir, das sind mein Papa und ich, am Naturparkzentrum Ötscher-Basis in Wienerbruck ankommen. Kühle, frische Bergluft begrüßt uns. Die letzten Tropfen versiegen im nassen Boden. Noch immer hängen tiefe Wolken im Tal, doch, weil heute wohl einige mit schlechtem Wetter gerechnet haben, ist es noch ziemlich still.
Inhaltsverzeichnis
Auf einsamen Pfaden im Naturpark Ötscher-Tormäuer
Es sind die tosenden Wasserfälle, die tiefen Schluchten und das türkise, glasklare Wasser, welche Wanderer zu den Ötschergräben ziehen lassen. Von der Ötscherbasis ist es ein kurzes Stück geradeaus, bevor wir nach links in den Naturpark einbiegen – die Erwartungen sind hoch, die Spannung steigt.
Berg | Ötschergräben Wienerbruck, Niederösterreich |
Wanderung | Schwierigkeit: mittel Dauer: 3,5 Stunden Länge: 11 Kilometer Aufstieg/Abstieg: 428 Höhenmeter Höhenprofil & Karte |
Hütte | Ötscherhias Ötscher-Basis Wienerbruck |
Anfahrt | Parkplatz bei der Ötscher-Basis Zum Google Maps Routenplaner |
Nach dem Regenguss sieht es aus, als hätte jemand die Sättigung der Farben hochgedreht. Das Laub der Bäume glänzt in sattem Grün. Zierliche Farne und frisch erblühte Maiglöckchen schmücken den Weg. Es duftet herrlich nach Wald. Wir genießen die Stille der Umgebung, das Brausen des Wassers ist von Weitem zu hören. Über das durchnässte Laub des letzten Herbsts hinweg gelangen wir an den ersten Wasserfall, den Kienbachfall.
Auf unserem weiteren Weg ergießen sich die Bergbäche immer wieder als pittoreske Wasserfälle die Schluchten herab, so auch der 90 Meter tiefe Lassingfall. Mutig und wahrscheinlich etwas ehrfürchtig seilt sich dort soeben eine Canyoning-Gruppe hinab. Der Steig führt nun in das Felsgelände und die kurzen Felstore hinab zum Stierwaschboden mit dem Kraftwerk (dieses wurde einst zur Elektrifizierung der Mariazellerbahn errichtet und ist noch heute in Betrieb).
Ötschergräben: inmitten tiefer Schluchten
Kurz nach dem Kraftwerk Wienerbruck rasten wir auf einer Holzbank mit Blick auf das helltürkise Wasser des Ötscherbaches. Ein wenig Karibikfeeling mitten in Niederösterreich. Im Sommer ein ideales Plätzchen, um das Badehandtuch auszubreiten, denn hier zeigt der Ötscherbach sein sanftes Gesicht. Mittlerweile hat sich zumindest die Sonne durch die Wolkendecke gekämpft und scheint uns aufs Haupt. Ein herzhafter Biss in meine Kaminwurzerl (eine Tiroler Wurst) und frisches Gebäck auf einem Bankerl mitten im Grünen. Mehr braucht es nicht zum Glücklichsein.
Wir marschieren schließlich weiter flussaufwärts entlang des Ötscherbaches, bis wir plötzlich mitten im Herzstück des Naturparkes stehen. Hier präsentiert er sich von einer anderen Seite: ungestüm, abenteuerlich und authentisch. Grand Canyon Österreichs nennt man sie auch im Volksmund, die Ötschergräben. Schroffe Felsen, schmale Stege entlang der aufbrausenden Wasserströme und wildromantische Schluchten. Zu Fuße des 1893m hohen Ötschers liegend brauchen sich die Gräben nicht zu verstecken. Bis zu 250 Meter hoch sind die Felsen, die links und rechts von uns beinahe senkrecht in den Himmel ragen.
Vom urigen Ötscherhias zum Erlaufstausee
Wildromantisch in die Landschaft eingebettet liegt der Ötscherhias an der steilen, bewaldeten Flanke über dem rauschenden Ötscherbach. Wir überqueren eine kleine Brücke hinüber zur urigen Holzhütte, wo man es sich inmitten der Natur bei einer Brettljause gemütlich machen kann. Weiter geht es erneuet den Wald hinauf und zum ersten Mal auf dieser Wanderung wird es nun ziemlich steil. Schweißperlen setzten sich auf unserer Stirn fest. Doch alle Mühle lohnt sich, denn unweit vom Waldausstieg wartet noch ein Gustostück: verborgen im Wald liegt die alte Mühle mit Wasserrad, die unweigerlich an alte Zeiten erinnert. Kurz nach der Mühle wandern wir linker Hand einen kurzen Waldweg hinauf, bis wir endlich auf der Forststraße stehen.
Endspurt nach Mitterbach oder: die Fußsohlen brennen
Wer denkt, jetzt ist es fast vorbei, der irrt. Wir sind zwar schon fast bei Kilometer 9, doch der Weg von der Forststraße, vorbei am Hagengut und das südliche Ufer des Stausees Erlaufklause entlang, bucht noch einige Kilometer auf das Wanderkonto.
Ein letzter Motivationsschub und dann sind wir am Ende der Tour angelangt. Stolze 13 km (weil wir zwischendurch ein wenig die Orientierung verloren haben) sind das Fazit des Tages. Nur noch 10 Minuten führt die Straße laut Wegweiser zum Bahnhof. Von dort fährt die Mariazellerbahn alle müden Wanderer wieder zurück nach Wienerbruck, die Haltestelle ist gleich bei der Ötscher-Basis.
Alternativroute: Sollten die Fußsohlen schon sehr brennen, kann man die Tour auch abkürzen, indem man von der Forststraße nach dem Hagengut in Richtung Bahnhof Erlaufklause abbiegt. Die Gesamtlänge beträgt dann nur rund 8 km.
Lange hat es gedauert, bis ich und die Ötschergräben einander kennenlernen durften. Meine Erwartungen wurden jedenfalls erfüllt. Die Anfahrt von Wien dauert zwar 2 Stunden, doch es lohnt sich allemal.