Zugegeben, es fällt mir alles andere als leicht, um 6 Uhr morgens mein gemütliches Bett zu verlassen und meine wohlig warme Decke gegen festes Bergschuhwerk einzutauschen. Ein herzhafter Biss in den Mohnstrudel entschädigt für die unmenschliche Uhrzeit. Viel Zeit für ein ausgiebiges Frühstück bleibt ohnehin nicht, der Berg ruft und so stehen mein Freund und ich bepackt mit ausreichend Proviant bereit zur Abfahrt in Richtung Kleinarl.
Inhaltsverzeichnis
Ein Kleinod in Kleinarl
Kleinarl liegt in Salzburg in der Nähe von Wagrain auf 1014 Metern Seehöhe. Im Winter ein Paradies für Skifahrer, im Sommer das Domizil von begeisterten Bergfexen. Vom Jägersee ausgehend erlebt man bei einer wunderbaren Wanderung verträumte Wälder, fantastische Ausblicke auf die Radstädter Tauern und gelangt schließlich zum höchstgelegenen See der Ostalpen, dem Tappenkarsee. Unlängst schaffte es der See sogar unter die 25 schönsten Bergseen der Alpen (das Voting findet ihr unter diesem Link).
Am Parkplatz des Jägersees, wo wir unser Auto zurücklassen, lässt sich so früh am Morgen nur vereinzelt eine Menschenseele blicken. Die Aussicht auf den grün schimmernden Jägersee gehört infolgedessen uns ganz allein und so genießen wir den Anblick in trauter Zweisamkeit. Im gemütlichen Gasthaus am Jägersee haben sich auch noch keine Gäste eingefunden. Viel zu selten kommt man dazu, so eine Ruhe zu genießen. Ganz schön frisch ist es hier, die kühle Bergluft sorgt für ordentlich Gänsehaut auf meinen Oberschenkeln (Pech, wenn man unbedingt eine kurze Hose anziehen musste). Daher verlieren wir keine Zeit und marschieren auch schon los in Richtung Tappenkarsee.
Berg | Tappenkarsee 1762 Meter Kleinarl, Salzburg |
Wandern | Schwierigkeit: mittel Dauer: 6 Stunden Länge: 17,6 Kilometer Aufstieg/Abstieg: 760 Kilometer Höhenprofil & Karte |
Hütte | Gasthaus Jägersee Tappenkarsee Alm Tappenkarsee AV Schutzhütte |
Anfahrt | Parkplatz beim Jägersee Zum Google Maps Routenplaner |
Vom Jägersee hinauf aufs Hochplateau
Die Sonne blitzt durch die dichten Wälder und die Nebelschwaden hervor. Die Ruhe des Waldes am Morgen, wenn die Natur gerade eben erwacht, bietet einen besonders entspannten Wander-Auftakt.
- Vom Jägersee zur bewirtschafteten Tappenkarsee-Alm geht man ca. 3 Stunden sowie eine weitere 1/2 Stunde hinauf zur Tappenkarseeshütte.
- Alternativ kann man die Wanderung auch erst ab dem Parkplatz der Schwabalm beginnen: mit dem Auto fährt man entlang der Mautstraße vom Jägersee zur Schwabalm und wandert von dort zur Tappenkarsee-Alm (ca. 2 Stunden).
Mir hat aber vor allem das entspannte Wegstück durch den Wald am frühen Morgen sehr gut getan – eine wunderbare Idylle fernab von Stress und Alltagshektik, mein inneres Gleichgewicht findet langsam wieder zu mir. Die erste Etappe bis zur Schwabalm führt fast ebenerdig durch einen dichten, tiefgrünen Wald – perfekt, um die Beine auf den kräftefordernderen Aufstieg vorzubereiten.
Die Berge sind nicht nur Herausforderung für mich. Sie sind auch ein Ruhepunkt. Sobald ich unterwegs bin, wird der Kopf frei. Ich gehe auf einen Gipfel, und wenn ich wieder herunterkomme, bin ich ein anderer Mensch.
Peter Habeler, österreichischer Extrembergsteiger
Der schöne Ausblick will verdient sein
Nach der ersten Stunde wird der Weg langsam ansteigend, noch immer durchqueren wir eine Waldzone, ehe das Gelände den Blick auf den Jägersee freigibt, der nun weit in der Ferne liegt. „So weit sind wir schon gegangen?“, schießt es mir ungläubig durch den Kopf. Noch tragen mich meine Beine bereitwillig, Schritt für Schritt machen wir Höhenmeter gut. Der Weg schlängelt sich mittlerweile in Serpentinen hinauf, die Bäume schützen uns nur teilweise vor der starken Mittagssonne, die den Aufstieg ein wenig schweißtreibender gestaltet, als erwartet (Erinnerungen an subtropische Klimaverhältnisse werden wach). „Wir sind so gut wie oben“, motiviert mich mein Freund auf den letzten Metern – und tatsächlich, schließlich sind wir am Hochplateau angelangt.
Ein sonniges Plätzchen auf der Tappenkarsee-Alm
Blühende Almrosen, ein plätschernder Bach und ein wunderschönes Bergpanorama – wir bestreiten die letzten Meter, bevor wir an unserem Ziel angelangt sind. Umgeben von Maierkogel, Gurenstein, Raucheck, Karteiskopf und Weißgrubenkopf liegt der Tappenkarsee majestätisch vor uns. Wir blicken auf saftig grüne Almwiesen und glücklich grasende Kühe (ein Bild, als könnte man es sofort auf eine Milchpackung drucken).
Ein Sprung ins kühle Nass?
Wir suchen uns ein Plätzchen direkt vor der Tappenkarsee-Alm und genießen die fantastische Aussicht. Der Proviant wird gierig ausgepackt. Ich schlängle mich heraus aus meinem Sport-BH und rein in den Bikini und schaffe es, dabei nicht mehr zu zeigen, als gewollt. Die Sonne scheint auf mein Haupt, langsam gesellen sich noch ein paar andere Wanderer zu uns ans Ufer. Es ist der perfekte Badetag am See. Am liebsten möchte man sofort einen Sprung in den See wagen. Spätestens aber, wenn die Zehen mit dem glasklaren Wasser in Berührung kommen, überdenkt man den Badespaß noch einmal gründlich. Gespeist durch frisches Wasser aus dem Kleinarlbach sind Badefreuden nur Hartgesottenen vorbehalten. Meinen Freund können die 14 Grad Wassertemperatur jedoch nicht aufhalten. Sein Gesichtsausdruck spricht Bände und ich fühle mich sogleich in meiner Entscheidung, es mir lieber am Steg gemütlich zu machen, bestätigt.
Der Tappenkarsee ist nicht nur für sein sauberes, eisig kaltes Wasser bekannt. Zudem war der 50 Meter tiefe Gebirgssee früher angeblich das Zuhause eines angsteinflößenden Lindwurms:
Ein ungeheuerlicher Lindwurm soll einst die Kühe, Schafe und Pferde der Bauern gerissen und gefressen haben. Diese wussten sich vor Angst und Bange nicht mehr zu helfen, trauten sich kaum mehr an den See. Doch wie sollten sie das Monster loswerden? Da kam ihnen die rettende Idee! Sie packten eine alte Kuhhaut und stopften diese mit Moos voll, sodass sie eine perfekte Attrappe ergab. Als besonderes „Schmankerl“ gaben die Bauern ein Päckchen Sprengstoff in den Kuhbauch. Als der Lindwurm aus dem Wasser hervorschnellte und die Kuh verspeisen wollte, zerriss es ihn schließlich in hundert Stücke.
So, genug der Schauergeschichten.
Letzter Stopp auf der Tappenkarseehütte
Nachdem wir ausreichend Sonne getankt haben, verlassen wir die Tappenkarsee-Alm und spazieren ca. 20 Minuten zur Tappenkarseehütte, die 50 Meter oberhalb des Sees liegt. Was an einem so perfekten Wandertag noch fehlt? Richtig, eine leckere Mehlspeise als Motivation für den Abstieg. Wir werden auf der Tappenkarseehütte fündig und gönnen uns eine große Portion Marillen- und Schwarzbeerkuchen. Langsam ziehen vermehrt Wolken auf und die laue Brise verwandelt sich zudem in stärkere Windböen. Zeit wird’s, ins Tal aufzubrechen! Mit jeder Menge wunderschöner Erinnerungen im Gepäck sitzen wir 2,5 h später in unserem Auto, ich versinke im Autositz wie in einem Wasserbett. Meine Füße sind dankbar für die Befreiung aus den Schuhen. Und trotz der leicht schmerzenden Waden freue ich mich schon auf das nächste Abenteuer.