Als ich meine Hand ins Wasser strecke, erinnert mich die grün-braune Farbe sofort an den See in meinem Heimatort. Die Sonne prallt erbarmungslos auf uns herab, als wir an diesem Tag in unserem Boot über den Inle Lake preschen. Die orangefarbenen Sonnenschirme an Bord schaffen zumindest ein wenig Abhilfe gegen die hartnäckigen Sonnenstrahlen.
Inhaltsverzeichnis
Ankunft am Inle Lake
Der Inle Lake ist ein Süßwassersee im Shan-Staat Myanmars und einer der größten Seen des Landes. Zugegeben, mit dem Farbschauspiel entlegender Bergseen kann der Inle Lake in Myanmar nicht mithalten. Und doch hat er eine Besonderheit, die ihn zu einer der Hauptattraktionen von Myanmar macht.
Alles Wissenswerte zur Anreise, unserem Hotel und Reiseinformationen findest du im Reiseguide.
Ein Tagestrip mit dem Boot kostet zwischen 15 000 und 20 000 Kyat (zwischen 8,70 und 11,50 Euro) – je nachdem, ob auch ein Besuch von Inthein inkludiert ist.
Dorfalltag auf dem See
Es ist früh am Morgen und doch herrscht auf dem Inle Lake schon reger Verkehr. Der Lärm der Boote ist nicht zu überhören. Denn der Inle Lake ist kein normaler See, er ist vielmehr die Heimat von 70 000 Intha, einer tibetobirmanischen Ethnie, die in den vier Städten am Ufer des Sees, in vielen kleinen Dörfern entlang der Ufer und sogar auf dem See selbst leben (Richtig gelesen! Zahlreiche Menschen wohnen in den Dörfern inmitten des Sees – die burmesische Antwort auf Venedig sozusagen.) In einfachen Pfahlbauten aus Holz und gewobenem Bambus leben die Fischer und Bauern mit ihren Familien, insgesamt gibt es 19 solcher Dörfer. Für mich ist es kaum vorstellbar, dass man sein ganzes Leben auf der Wasseroberfläche eines Sees verbringt.
Eine Fahrt durch die schwimmenden Gärten
Doch nicht nur die Dörfer am See sind eine außergewöhnliche Attraktion, auch die Felder der Bewohner schwimmen im wahrsten Sinne des Wortes „gegen den Strom“. Denn Gemüse, Obst und Blumen werden hier auf dem offenen Wasser in Form von schwimmenden Gärten kultiviert. Damit Tomate und Co. keine Schwimmhäute bekommen, haben die Bauern ein ausgeklügeltes System aus schwimmenden Vegetationsmatten entwickelt. Die Basis der Gemüse- und Obstgärten ist eine Masse aus Sumpf, Erde und Wasserhyazinthen, die mittels Bambuspfählen am Seeboden fixiert sind. Es dauert Jahrzehnte, bis die sich so bildende Hummusschicht zum Ackerbau verwendet werden kann. Tomaten, Gurken, Auberginen, Bohnen, Blumen und Salat gedeihen schließlich umgeben von Hektolitern Seewasser – ziemlich verrückt, aber man kann auf dem so geschaffenen fruchtbaren Boden sogar gehen! (Ich habe mich trotzdem nicht getraut, es auszuprobieren, um nicht unfreiwillig Baden zu gehen.) Während wir über den See fahren, sehen wir überall Einheimische, die Seegras auf ihre Boote hiefen, welches ebenso zum Bau der Gärten benötigt wird.
Vom Fischen mit Bambuskörben und Einbeinruderern
Und die Fischer? Sie sind die eigentlichen Stars am See und mittlerweile ein äußerst beliebtes Fotomotiv. Denn anders als bei uns kommen die Fischer des Inle Lakes gänzlich ohne Angelschnur und Haken aus. Was auf dem Boot aber nicht fehlen darf, ist ein zwei bis drei Meter langer Bambuskorb, den die Fischer auf den Grund des Sees stellen, sobald auf der windstillen Wasseroberfläche Luftbläschen oder Unterwasserbewegungen zu sehen sind. Mit einem langen Stock werden die Fische anschließend aufgeschreckt und ein über einzelne Metallringe gespanntes Netz (welches der Fischer mit der anderen Hand an einer Schnur hält und das innerhalb des Bambuskorbes befestigt ist) wird fallen gelassen. Und schon ist das schuppige Abendessen gesichert.
Doch nicht nur die Methode des Fischfangs, sondern auch die Fortbewegung zu Wasser ist sehenswert. Wer stramme Waden an Männerbeinen schätzt, ist beim Volk der Intha an der richtigen Adresse. Denn die Fischer rudern nicht mit den Armen, sondern mit einem Bein. Während sie am Heck ihres schmalen und langen Bootes stehen, bewegen sie dieses mit der traditionellen Rudertechnik, bei der das Ruder mit dem Bein eingeklemmt wird, vorwärts. Man nennt sie deshalb auch „Einbeinruderer“. Logische Konsequenz: die Hände bleiben frei und der Fischer hat mehr Bewegungsfreiheit.
Ein Schal aus einem der teuersten Stoffe der Welt
Während unserer Fahrt über den See halten wir immer wieder an unterschiedlichen Handwerksbetrieben in den Dörfern. Unser erster Stopp ist eine traditionelle Lotus-Weberei. Durch Brechen des Stängels der Lotuspflanze wird ein hauchdünner Faden gewonnen, der im weiteren Herstellungsprozess zu Lotusseide verarbeitet wird. Lotusseide ist sieben Mal teurer als normale Seide und gehört zu den teuersten Stoffen der Welt. Ein kleines Halstuch kostet in Myanmar etwa 100 Dollar (die Weberinnen verdienen im Vergleich dazu etwa 1 Dollar am Tag). Für einen Meter Stoff werden 10 000 Stängel und eine Woche Zeit benötigt, etwa 500 Seidenweberinnen arbeiten mittlerweile am Inle-See (Ich habe mich selbst im Brechen des Stängels versucht und bin kläglich gescheitert – Übung macht dann doch den Meister.) Im Anschluss haben wir noch einen Betrieb besucht, in dem die traditionellen Boote der Inthas gebaut werden. Am Inle Lake gibt es zudem eine Zigarren-Manufaktur sowie Silberschmieden.
Mir hat der Ausflug am Inle Lake ziemlich gut gefallen. Es gibt auf dem See auch noch ein paar Kloster, die man besichtigen kann. Nicht auslassen sollte man jedenfalls einen Bootsstopp im Städtchen Inthein mit seinen verwitterten Pagoden, das mein persönliches Highlight war.